Zell im Wiesental Vergabe an ED stößt auf Kritik

Markgräfler Tagblatt
Der Strom für die Stadt Zell soll auch in den kommenden zwanzig Jahren von der Firma ED Netze geliefert werden. Dies beschloss der Gemeinderat am Montag mehrheitlich. Foto: Peter Schwendele Foto: Markgräfler Tagblatt

Stromkonzession: Gemeinderat Zell trifft Entscheidung /  Vorfestlegung und Geheimniskrämerei moniert

Eine Mehrheit des Gemeinderats ist am Montag dem Vorschlag der Verwaltung gefolgt und hat die Stromkonzession der Stadt Zell für weitere 20 Jahre an die Firma ED Netze GmbH vergeben. Es gab aber auch kritische Stimmen, die die vorgelegte Bewertungsmatrix nicht nachvollziehen konnten.

Von Peter Schwendele

Zell. Drei Firmen – die Energiedienst-Tochter ED Netze GmbH, die EWS Netze GmbH und die Badenova-Tochter bn Netze GmbH – hatten Angebote für die künftige Stromversorgung der Schwanenstadt vorgelegt (wir berichteten in unserer Samstagsausgabe). Die Stadt hatte den komplexen Verfahrensprozess von der Rechtsanwaltskanzlei W2K fachlich begleiten lassen. Deren Vertreter Klaus Berger sagte, das seit 2015 laufende Verfahren habe hohe Anforderungen an die Verwaltung und den Gemeinderat gestellt. „Die drei Angebote sind sehr nahe beieinander“, meinte Berger, bevor er die Bewertungskriterien im Einzelnen vorstellte und das Zustandekommen des Gesamtergebnisses erläuterte. Dieses sieht wie folgt aus: Von 100 möglichen Punkten erreichte die ED Netze 91,5 Punkte, die bn Netze 82,2 Punkte und die EWS Netze 81,5 Punkte.

Dieser Bewertung gaben elf Ratsmitglieder ihren Segen (Werner Ganter, CDU, enthielt sich der Stimme). „Wir sehen hier ein eindeutiges Ergebnis“, sagte Thomas Schmidt für die CDU-Fraktion. Der Bewertung schloss sich für die SPD-Fraktion Erwin Vollmer an, der von einer wichtigen Entscheidung für die kommenden zwanzig Jahre sprach.

Eine abweichende Meinung vertrat die vierköpfige Fraktion der Freien Wähler sowie Claudia Dolzer (SPD), die postulierte, dass sie sich als einzige Gemeinderätin die einzelnen Angebote der Bieter angeschaut habe. Die SPD-Gemeinderätin sprach davon, dass „eine gewisse Vorfestlegung“ feststellbar sei. „In einzelnen Punkten sieht es aus, als würden die neuen Bieter gegenüber dem Altkonzessionär diskriminiert“, sagte Dolzer.

Netzsicherheit und Personalausstattung

Als Beispiel führte Dolzer Details im Hinblick auf das Hauptbewertungskriterium Netzsicherheit an, bei dem auf die personelle Ausstattung abgehoben werde. Vergleiche man die diesbezüglich vorgelegten Zahlen genau, so komme man in der Relation bei der personellen Ausstattung des Altkonzessionärs ED Netze auf zehn Mitarbeiter für 30 000 Einwohner und bei einem der unterlegenen Bieter auf vier bis fünf Mitarbeiter bei 6000 Einwohnern. Dennoch habe der Altkonzessionär eine höhere Punktzahl zugeschrieben bekommen.

Grundsätzlich rügte die SPD-Gemeinderätin, dass keine Bietergespräche geführt worden seien, um offene Fragen abzuklären. Zumal solche Bietergespräche in der Ausschreibung vorgesehen und zu Beginn des Verfahrens unter Beteiligung der Fraktionen eingeplant gewesen seien. Dolzer: „Wer sich die Mühe gemacht und die Angebote und die Bewertung angesehen hat, der findet viele offene Fragen, die zwingend in einem Bietergespräch hätten erfragt werden müssen.“

Weiter kritisierte die Stadträtin, dass ihr die Einsicht in die Netzentgeltberechnung – ein weiterer wichtiger Punkt in der Bewertung – unter Hinweis auf Betriebsgeheimnisse verweigert worden sei. In dieselbe Kerbe hieb auch FW-Fraktionssprecherin Andrea Friedrich. Es sei ein gravierendes Manko des gesamten Verfahrens, dass kein Gemeinderat Einblick in die Netzentgeltberechnung erhalten habe. „Das ist Geheimniskrämerei“, sagte Friedrich. Zumindest hätte man jedoch die Netzentgeltberechnung von einem zweiten Fachmann gegenprüfen lassen sollen, kritisierte Friedrich den auch von Dolzer angesprochenen Verzicht auf das sogenannte Vier-Augen-Prinzip.

Grundsätzlich würden die Freien Wähler die vorgenommene Bewertung für nicht korrekt halten. So sei die Beurteilung der Firma ED bei der Netzsicherheit viel zu positiv ausgefallen. Friedrich führte Stromausfälle im Versorgungsgebiet von ED an, sprach von „Untätigkeit“ und wertete den Versorgungszustand als „nicht sehr vertrauenerweckend“. Des Weiteren konstatierte sie einen „Investitionsstau“ bei der Firma ED.

Bürgermeister weist Vorwurf zurück

Daraufhin sah sich Klaus Wetzel (CDU) genötigt, eine Lanze für den bisherigen und zukünftigen Energieversorger zu brechen. ED habe möglicherweise in den vergangenen Jahren zu wenig in die Stromnetze investiert, dafür aber erhebliche Mittel in die Kraftwerke gesteckt. Man könne davon ausgehen, dass sich dies in der Zukunft wieder ausgleiche.

Bürgermeister Rudolf Rümmele wies den Vorwurf der Geheimniskrämerei zurück. Der Verfahrensweg sei mit dem Landratsamt abgestimmt. Außerdem habe kaum ein Gemeinderat von seinem Einsichtsrecht in die Unterlagen Gebrauch gemacht, gab der Rathauschef zu bedenken.

Rechtsanwalt Berger verwies auf das von seiner Kanzlei erarbeitete 75-seitige Gutachten. „Ich glaube nicht, dass man zu einem anderen Ergebnis kommen kann“, meinte der Jurist. Es gebe in derartigen Fragen immer einen Interessenkonflikt zwischen Transparenz und Bieterschutz. Man sei auf einem schmalen Grat gewandert und habe den Räten so weit wie möglich Einblick in die Unterlagen gewährt.

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