Höllstein, Hägelberg und Hüsingen zogen gar vor den Staatsgerichtshof Stuttgart, um die Eigenständigkeit zu retten. Vergeblich, wie die Geschichte zeigt. Am Ende überwiegen aber die positiven Effekte der Reform.
Nicht anders als in anderen Gemeinden war die Kommunalreform in Steinen und insbesondere seinen heutigen sechs weiteren Ortsteilen vor 50 Jahren ein Aufreger erster Güte.
Höllstein, Hägelberg und Hüsingen zogen gar vor den Staatsgerichtshof Stuttgart, um die Eigenständigkeit zu retten. Vergeblich, wie die Geschichte zeigt. Am Ende überwiegen aber die positiven Effekte der Reform.
Bei seinem Neujahrsempfang drehte Steinens Bürgermeister Gunther Braun am Freitag mit Hilfe von Zeitzeugen das Rad der Geschichte zurück und beleuchtete, was in der Gemeinde vor einem halben Jahrhundert los war (wir berichten noch ausführlich). Dabei ging es vermutlich alles andere als „dröge“ zur Sache, denn die Gemeindereform birgt auch in Steinen manche Anekdote.
Bereits Ende der 1960er Jahre sei das Thema Zusammenschluss erstmals auf den Tisch gekommen. Bürgermeister Johannes Pflüger sei bei dem Thema aufgeschlossen gewesen, um die Verwaltung insgesamt zu verschlanken.
Anfang der 1970er Jahre versuchte dann die Landesregierung in Stuttgart, die Fusion von kleineren Dörfern mit größeren Gemeinden mit finanziellen Anreizen zu ködern. Sogenannte „Reformprämien“ wurden im Volksmund bei den ablehnenden Dörfern bald aber nur noch „Schlachtprämien“ genannt.
Bürgermeister Gunther Braun weiß zu berichten, dass Volksabstimmungen in den zur Fusion anstehenden einst selbstständigen Gemeinden Endenburg und Weitenau, Höllstein und Hüsingen, Schlächtenhaus und Hägelberg zunächst ablehnend ausfielen. Von einer stolzen Summe von 250 000 Deutschen Mark im Fall eines freiwilligen Zusammenschlusses mit Steinen ließen sich dann aber doch Weitenau und etwas später auch Endenburg erweichen.
Es war die Zeit der Geschenke: Endenburg erhielt als „Zückerle“ den Ausbau und die Asphaltierung zweier Zufahrtsstraßen im Wald. Als die Eingemeindung immer deutlicher am Horizont auftauchte, setzten die Dörfer ihr Tafelsilber um und plünderten die Gemeindekasse, um Steinen nur ja nichts abzugeben. Bis zuletzt trotzten aber Hüsingen, Hägelberg und vor allem Höllstein der zwangsweisen Eingemeindung.
Fast schon legendär ist eine Busfahrt der drei Gemeinden mit ihren Bürgermeistern nach Stuttgart, um vor dem Staatsgericht die eigenen Positionen vehement zu vertreten.
Dabei tat sich insbesondere Höllsteins Bürgermeister Groß hervor, der ein flammendes Plädoyer für die Eigenständigkeit hielt. Die lokale Presse titelte seinerzeit: „Bürgermeister Groß kämpfte den Kampf seines Lebens für seine Gemeinde Höllstein“. Dabei hätten die Ausführungen des ehemaligen Bürgermeisters „größte Beachtung“ gefunden, hieß es. Alles Lamentieren nutzte letztlich jedoch nichts. Auch Hüsingen, Hägelberg und Höllstein mussten am Ende ins Boot der Gemeinde Steinen. Zugeständnisse sind bis heute sichtbar: Das Standesamt und das Bauamt der Gemeinde befinden sich auf der „anderen“ Straßenseite der B 317, wie Braun leicht säuerlich anmerkt.
Anfängliche Sorgen, dass sich Steinen an den Pfründen seiner Ortsteile bereichert, entpuppten sich bald als unbegründet. Vielmehr war die neue Einheitsgemeinde von Beginn an darauf bedacht, alle Ortsteile nach ihrem jeweiligen Proporz mit Stimmrechten im Gemeinderat und auch mit Finanzmitteln auszustatten. Befindlichkeiten der jeweiligen Ortschaftsräte wurden im Gemeinderat respektiert.
Schon sechs Jahre nach der Gemeindefusion merkte ein Chronist an: „Von maßgeblichen Vertretern aus allen Teilorten ist immer wieder zu hören: Es ist besser gelaufen als anfangs angenommen.“
In seinem Resümee kommt Braun beim Thema Gemeindereform zu dem Schluss: „Alle sind dabei gut gefahren.“ Braun weiter: „Keiner ist abgehängt worden.“ Als Beispiele nennt der Bürgermeister die Hallenbauten in Endenburg und Schlächtenhaus, die Halle in Weitenau wurde umgebaut.
Vor 50 Jahren hatten die Dörfer keine oder nur mangelhafte Kläranlagen. Das änderte sich mit der Gemeindereform und dem Bau eines Abwassernetzes zur Kläranlage Steinen.
Zuletzt bescherte die Gemeinschaft den Dörfern im Zusammenhang mit dem Klimawandel und extrem trockenen Sommern erstmals eine zentrale Wasserversorgung. Nicht ohne Stolz verweist Braun auf das 20-Millionen-Euro schwere Trinkwassernetz, das Wassertankwagen in Endenburg in Dürrezeiten überflüssig macht. Eine solche Wasserversorgung stehe in manchen Kommunen als Herkules-Aufgabe erst noch an. Steinen sei durch seine Wasserversorgung im Klimawandel „zum Vorzeige-Projekt des Landes Baden-Württemberg geworden“, betont Braun. Das sei ein Kraftakt, den die einzelnen Dörfer niemals im Alleingang geschafft hätten. Insofern sei die 50-jährige Gemeindereform eine Erfolgsgeschichte.