Atomkraftwerke länger laufenlassen?
Nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine war die Bundesregierung alarmiert wegen der hohen Abhängigkeit von fossilen Energien aus Russland. Zudem wurden Forderungen laut, die drei noch verbliebenen Kernkraftwerke über das Jahresende 2022 hinaus am Netz zu lassen. Im Jahr 2011 hatte die damalige schwarz-gelbe Regierung nach der Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima einen schrittweisen deutschen Atomausstieg bis Ende 2022 beschlossen.
Im März 2022 ergab dann eine gemeinsame Prüfung von Wirtschafts- und Umweltministerium, dass eine Verlängerung der Laufzeiten der noch verbliebenen Atomkraftwerke nur einen "sehr begrenzten Beitrag zur Lösung des Problems leisten könnte, und dies zu sehr hohen wirtschaftlichen Kosten, verfassungsrechtlichen und sicherheitstechnischen Risiken". Umweltministerin Lemke argumentierte bei ihrer Befragung am Mittwoch, dass für ihr Haus als oberste Atomaufsichtsbehörde die nukleare Sicherheit bei allen Abwägungen immer höchste Priorität genossen habe.
Die Sicherheitsfragen hätten in der Debatte um die Laufzeitverlängerungen eine viel zu geringe Rolle gespielt, beklagte die Ministerin. Auch Scholz verwies bei seiner Befragung auf die "verheerenden Risiken", die die Nutzung von Atomkraft berge.
Streit in der Koalition und Machtwort des Kanzlers
Und dennoch sei es im Sinne der Versorgungssicherheit letztendlich richtig gewesen, die drei letzten Atomkraftwerke noch einige Monate länger laufen zu lassen, argumentierte Scholz. Die letzten drei Meiler liefen dreieinhalb Monate länger als ursprünglich geplant - der Atomausstieg verschob sich vom 31. Dezember 2022 auf den 15. April 2023. Davor hatte es nach einem Streit innerhalb der damaligen Ampel-Koalition ein Machtwort des Kanzlers am 17. Oktober 2022 gegeben.
Auch dieses Machtwort verteidigte Scholz mehrfach im Ausschuss. Er betonte, dass es sonst nicht möglich gewesen sei, eine Lösung herbeizuführen. Weder mit Habeck noch mit dem damaligen Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hätte es in einer für Deutschland sehr ernsten Lage mit potenzieller Energie-Unterversorgung eine Einigung geben können, sagte Scholz. Ihm sei klar geworden: "Das muss ich schon auf meine Kappe nehmen." Beide Minister seien vorab über die Entscheidung, dass der Kanzler die Frage per Richtlinienkompetenz klären wolle, informiert worden.
Habeck hatte zuvor ausgesagt, sich nicht mehr daran zu erinnern, ob er informiert worden sei. Eine von vielen kleinen Abweichungen, die der Ausschuss auch nach 40 Zeugenbefragungen nicht gänzlich auflösen konnte. Auch die Positionen blieben bis zuletzt konträr. Während Grüne und SPD am Ende keine Beweise für ein in erster Linie ideologiegetriebenes Handeln der beiden Ministerien sehen, spricht die Union bis zuletzt von einem "großangelegten Täuschungsmanöver".
Ob sich dieser Begriff auch im Abschlussbericht finden wird, wird sich zeigen. Sobald die Stellungnahmen aus allen Fraktionen vorliegen, soll er noch im Februar der Bundestagspräsidentin vorgelegt werden.