Auftritt im Burghof Pointierter Humor und berührender Tiefgang

Tonio Paßlick
Bodecker und Neander Foto: Annette von Bodecker

Zum bereits achten Mal wurden Wolfram von Bodecker und Alexander Neander im Burghof als Virtuosen des stummen Dramas, des Bildertheaters voller Magie und der subtilen Pantomime gefeiert.

Sie verknüpften am Samstagabend gemeinsam mit der Briefbotin Lina Rohde in ihrem Bildertheater „Auf Winterfahrt“ den weihnachtlichen Zauber des Wünschens mit den traumverwobenen Illusionen einer Lebensreise, die menschliche Eigenschaften und Sehnsüchte spiegelt. In der Regie von Lionel Ménard zelebrierten die drei Akteure die Kunst der wortlosen Darstellung, des Mime- und Bewegungstheaters, der Clownerie und des Maskentheaters und der optischen Illusion durch eine meisterhafte Reduktion auf das Wesentliche.

In jeder Faser spürt man ihren Lehrmeister und Partner Marcel Marceau. „In unseren Stücken gibt es viele Momente, bei denen man die Einfachheit spürt, die Simplicité, von der Marceau sprach, mit Nichts auf einer großen, schwarz ausgehängten Bühne nur mit Musik und Licht etwas zu gestalten und dann plötzlich die Leute zu berühren bis in die letzte Reihe. Das haben wir bei ihm gelernt. Auch während der mehr als zehn Jahre, die wir in seiner Compagnie mit ihm auf Tourneen waren,“ sagt von Bodecker über die Erfahrungen mit dem Meister der Pantomime.

Pointierter Humor und berührender Tiefgang

Ihr eigenes Theater gründete das Duo 1996, welches für „Silence“, ihre erste Produktion, prompt den Berliner Publikumspreis gewann. Objekttheater, Bildertheater und Magie und vor allem musikalische Akzente werden in den Produktionen seither behutsam mit eingebunden und bestimmen mehr und mehr die Atmosphäre ihrer Stücke. Pointierter Humor und berührender Tiefgang zeichnet auch die neue Inszenierung aus, subtil unterstützt von musikalischen Untermalungen wie Schuberts „Gute Nacht“ oder Faurés „Pavane“.

Auf dunkler Bühne nähert sich aus dem Off akustisch ein Pferdeschlitten, im fahlen Licht nimmt man die Botin (Lina Rohde) wahr. Der Kälte trotzend beeilt sie sich, ihren prall gefüllten Rucksack voller Wunschzettel ans Ziel zu bringen. Geschrieben von Menschen, die so auch im Publikum sitzen könnten. Zum Teil abstruse Wünsche, die nur die Fantasie formulieren könnte. Eine möchte eine Enzyklopädie zur Wissenschaft des Weines, die andere die Oma auf Schlittschuhen sehen und der Dritte Beethoven kennenlernen – oder zumindest ein Konzert besuchen.

Der zauberhafte Reiz der Pantomime

In einzelnen Szenen folgen die Wünsche – sowohl den angedeuteten Formulierungen der Wunschzettel als auch der Fantasie des Betrachters. Darin liegt der zauberhafte Reiz der Pantomime: die grenzenlose Fantasie des Betrachters zu wecken, Emotionen zu schüren und durch humorvolle Pointen und die Karikatur wohlbekannter menschlicher Eigenarten in beflügelte Leichtigkeit zu versetzen.

Ein präzises Zusammenspiel aus Körpersprache, Licht und Klang löst spontanen Beifall, beglückte Kinderlaute und hörbare Bewunderung aus. Gebannt folgt man den Reisenden im Orient-Express, wenn nur die Bewegungen der beiden Akteure die Bühne in einen ratternden Zug mit rhythmischem Holpern, Stationen auf Bahnhöfen und mühselig geschleppten Koffern verwandeln. Beim Beethoven-Konzert wird das Publikum Teil der Aufführung. Kintopp in bester Manier. Der Helfer des Pianisten verliert beim Blättern der Noten den Faden, sorgt für sichtliche Verwirrung, greift schließlich selbst in die unsichtbaren Tasten.

Bodecker und Neander verzaubern das Publikum

Tief berührende Szenen sind so poetisch und anschaulich dargestellt, dass sie auch für Menschen ab sechs Jahren verständlich werden. Ein Mädchen fragt in ihrem Wunsch, weshalb ihr Großvater nie über den Krieg spricht. Die Schwere der Erinnerungen trifft auf kindliche Neugier. Seufzer im Publikum. Und gleich darauf befreites Lachen, als eine alte Großmutter einem jungen Galan aufs Eis folgt und zu dessen Verblüffung Pirouetten dreht.

Neunzig Minuten lang verzaubern Bodecker und Neander mit ihrer Mischung aus Pantomime und visueller Magie das Publikum und schaffen eine Welt, die ohne Worte auskommt und dennoch alles erzählt. Am Sonntagnachmittag auch in einer zweiten Vorstellung für Kinder und Familien.

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