Auggen Drei Jahre und ein Tag

Weiler Zeitung

Walz: Der Steinmetz-Geselle Lennart Riedel ist seit Sonntag auf Wanderschaft

Was für Studenten ein Auslandssemester ist, ist für Handwerksgesellen aus dem Bauhandwerk die „Walz“ oder „Tippelei“. Alexander Anlicker hat sich mit dem Steinmetz-Gesellen Lennart Riedel unterhalten, der am Sonntag zu seinen Wanderjahren aufgebrochen ist.

Warum hast du dich nach der Schule für eine Ausbildung zum Steinmetz entschieden?

Im Bors-Praktikum (Berufsorientierung an der Realschule) habe ich gemerkt, dass das genau mein Ding ist.

Die meisten bringen den Steinmetz-Beruf nur mit Grabsteinen auf Friedhöfen in Verbindung, Was macht ein Steinmetz noch?

Der Beruf ist sehr vielfältig. Im Grunde umfasst er alles, was man aus Stein herstellen kann, zum Beispiel Treppen, Fenster und vieles mehr. Bei der Restauration alter Gebäude ist Know-How gefragt, beispielsweise beim Ausbessern von alten Kirchen wie dem Freiburger Münster. An Klosteranlagen und alten Schlössern habe ich auch schon mitgearbeitet.

Wie bist du darauf gekommen, auf die Walz zu gehen?

Mein Arbeitskollege Ecki hat mir davon erzählt. Ich finde die Idee großartig und wollte es unbedingt ausprobieren.

In welche Richtung geht’s los? Planst du auch Stationen im Ausland?

Nach Norden. Erstmal im Deutschsprachigen Raum aber später möchte ich noch nach Skandinavien.

Welche Regeln gelten für einen Wandergesellen? Was darfst du alles mitnehmen?

Ganz wichtig: Ich muss mich immer so Verhalten, dass ich meinen Mitbrüdern und unserem Ruf als Wandergesellen nicht schade. Außerdem darf ich eine Bannmeile von 50 Kilometern (Radius) um meinen Ausbildungsbetrieb nicht betreten. Mitnehmen werde ich nur das Allernötigste, denn Ich muss ja alles tragen. Nicht im Rucksack wohlgemerkt, sondern in ein Tuch, genannt „Charlottenburger“ oder kurz „Charlie“, eingeschlagen.

Als Musiker spielst du in der Bergmannskapelle Tuba, nimmst du das Instrument mit auf die Reise, oder sattelst du solange auf Mundharmonika um?

Nein, wohl eher nicht. Fürs Erste werde ich mich aufs Singen verlegen.

Du bist in deiner Freizeit in der Jugendarbeit und im Wasserrettungsdienst der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft aktiv. Werden dir deine Hobbys fehlen?

Ich werde mich zwar viel bewegen, da ich ja wandernd unterwegs bin, aber speziell das Schwimmen wird mir schon fehlen.

Du darfst drei Jahre und einen Tag nicht näher als 50 Kilometer an dein Zuhause. Wie hältst du Kontakt zu Familie und Freunden?

Die gute alte Postkarte wird da gute Dienste leisten. Öffentliche Münzfernsprecher gibt es ja auch noch, und wenn ich die Möglichkeit habe, einen Computer zu nutzen, schreibe ich E-Mails.

In sieben Monaten steht Weihnachten vor der Tür. Weißt du schon, wie du Weihnachten feiern wirst?

Nein, vermutlich mit anderen Wandergesellen.

Wie sehen deine weiteren Pläne aus, kehrst du in drei Jahren zu deinem Lehrbetrieb zurück? Willst du dann die Meisterschule besuchen?

Das wird sich zeigen, aber die Meisterschule will ich auf jeden Fall absolvieren.

Zur Person

Der 20-jährige Steinmetz stammt aus Buggingen-Seefelden. Nach der mittleren Reife an der Mathias-von-Neuenburg-Realschule hat er von September 2013 bis Juli 2016 im Steinmetzbetrieb Johannnes Abel in Auggen eine Ausbildung zum Steinmetz absolviert.

Info

Der Begriff Walz oder Tippelei bezeichnet die Zeit der Wanderschaft zünftiger Gesellen nach der Freisprechung. Die Gesellen sollten vor allem neue Arbeitspraktiken, fremde Orte, Regionen und Länder kennenlernen sowie Lebenserfahrung sammeln. Ein Handwerker, der sich auf dieser traditionellen Wanderschaft befindet, wird als Fremdgeschriebener oder Fremder bezeichnet. Im Jahr 2015 wurde die Walz von der Unesco in die Liste des immaterielen Weltkulturerbes aufgenommen.

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading