Bad Bellingen Farbenreich und berührend

Weiler Zeitung

Hans Jörg Mammelt und Michael Baumann mit Schuberts „Winterreise“ in der Kulturscheune Rabe

Von Willi Vogl Kleinkems. Am Samstag habe ich eine Reise in den Winter gemacht. Keine jahreszeitliche, nein, dafür ist es derzeit wirklich zu warm, sondern eine musikalische. Die Reiseführer waren der Tenor Hans Jörg Mammelt und der Pianist Michael Baumann in der Kleinkemser Kulturscheune Rabe.

Die Texte der „Winterreise“ stammen von Wilhelm Müller, einem Zeitgenossen des Wiener Urromantikers Franz Schubert. Die 24 Texte des Liederzyklus geben zwar nicht notwendigerweise eine konkrete Handlung wieder, erzeugen jedoch das Bild eines unbehausten Wanderers zwischen Liebeshoffen und Todessehnsucht. Bei allen bislang ausgebreiteten privaten und politischen Deutungen waren für Schubert vor allem diejenigen poetischen Bilder werkbestimmend, die einen musikalisch labilen Schwebezustand ermöglichten. Hier gibt es eine breite Palette von Motiven wie frühlingslaues Träumen, grußlose Einsamkeit, Hoffnung verheißende Post, reifverhangener Lebenswinter oder dunkle Ausweglosigkeit.

Musikalisch liegen Hoffnung und Enttäuschung auf engstem Raum zusammen. So bekommt etwa die Dreiklangs-Motivik des fröhlich pochenden Herzens in „Die Post“ durch die enthaarte Harmonik im anschließenden „Der greise Kopf“ einen schwermütig grübelnden Gegenpol. Bisweilen zeigen sich auch innerhalb eines Liedes Ausdruckskontraste zwischen Text und Musik. Den Standard solcher Gegenpole bilden Moll-Dur-Aufhellungen. So entsteht mit der eintretenden Dur-Sphäre bei der Strophe „Will dich im Traum nicht stören“ in „Gute Nacht“ ein spannungsreicher Gegensatz zum mitschwingenden Abschiedsschmerz der Poesie.

Warum diese raumgreifende Skizze des Schubert‘schen Wirkungsspektrums? Weil sich der Wert einer Interpretation weniger durch den Vergleich mit anderen Interpretationen, sondern vor allem im Abgleich mit der Ausdrucksabsicht der kompositorischen Vorlage ergibt.

Dem bestens in der Region bekannten Tenor Hans Jörg Mammelt darf man die notwendige Sensibilität für Schuberts musikalische Gratwanderungen in hohem Maße bescheinigen. Da waren exzellent gesetzte Kontraste zwischen der vordergründigen und anmaßenden Fröhlichkeit in „Mut“ und einer stimmlich äußerst konzentrierten Resignation in „Der Leiermann“. Mit feinen Schattierungen von Satzwiederholungen machte Mammelt deutlich, dass Schubert keinen Ton zu viel komponiert hatte. Mit allzeit konsonantenfreudiger Verständlichkeit und kluger Dosierung des Stimmvolumens wusste er souverän durch die Schubert‘sche Winterlandschaft zu führen. Farbenreich und berührend.

Auf gleicher Wellenlänge steuerte Michael Baumann seine pianistische Ausdeutung bei. Die „Im Dorfe“ bellenden Hunde und rasselnden Ketten entwickelten sich ebenso wie die Akkorde stiller Verzweiflung in „Die Nebensonnen“ zu starken Charakteren. Baumanns Differenzierungskunst muss umso mehr bewundert werden, als sich die klanglichen Möglichkeiten des bereits in die Jahre gekommenen Flügels nur noch in mittleren Werten bewegten.

Mammelt und Baumann erwiesen sich als hervorragendes Team auf dem Weg von inniger Beschaulichkeit in „Gute Nacht“ bis zur letzten Resignation der leeren Quinten in „Der Leiermann“.

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