Bad Bellingen Gegen das kollektive Vergessen

Weiler Zeitung
Die historisch undatierte Aufnahme zeigt das Märkter Stauwehr, das 1944 von den Alliierten bombardiert wurde. In der Folge des Angriffs wurde die Besatzung eines abgeschossenen Bombers zunächst gefangen genommen und dann ermordet. Foto: zVg Foto: Weiler Zeitung

Gedenken: Tafel in Rheinweiler am Rheinuferweg erinnert an 1944 ermordete alliierte Soldaten

Vor 75 Jahren fielen vier alliierte Soldaten einem Kriegsverbrechen zum Opfer. Eine Gedenktafel am Rheinuferweg wird künftig an ihr Schicksal erinnern. Denn gerade in Zeiten, in denen rechte Strömungen zunehmend erstarken, muss an die Verbrechen der Vergangenheit erinnert werden, hieß es im Rahmen der offiziellen Übergabe der Tafel am Montagabend.

Von Ingmar Lorenz

Bad Bellingen-Rheinweiler. Am 7. Oktober 1944 fliegen 13 alliierte Bomber, 34 Jäger und ein Aufklärungsflugzeug einen Angriff auf das Stauwehr in Märkt. In einem der Lancaster-Bomber sitzt der 21-jährige Bruce Hosie. Eigentlich hätte er gar nicht an Bord sein sollen. Spontan ist er für einen an einer Ohrenentzündung erkrankten Kameraden eingesprungen. Mit einem anderen Soldaten hat er eine Münze geworfen, um zu entscheiden, wer in das Flugzeug steigen soll. Hosie hat verloren.

An Bord des Bombers, in dem der junge Neuseeländer und seine englischen Kameraden auf das Stauwehr zusteuern, befindet sich eine Tallboy-Bombe. Mit ihr soll das Bauwerk zerstört werden. Aber die Anlage ist durch Flak-Geschütze gesichert. Der Lancaster-Bomber wird getroffen und muss notwassern. Hosie und drei seiner Kameraden können sich in ein Floß retten.

Bald werden sie von Polizisten entdeckt, aus dem Wasser geholt und nach Rheinweiler gebracht. Im Rathaus warten die Männer darauf, was nun geschieht. Es gibt für einen solchen Fall klare Regeln. Die Gefangenen sollen in Freiburg der Luftwaffe übergeben werden. Aber es ist Samstag und die Gefangenen bleiben zunächst in Rheinweiler. Vor dem Rathaus bildet sich derweil eine Menschenmenge und am frühen Abend trifft aus unbekannten Gründen NSDAP-Kreisleiter Hugo Grüner mit seinem Auto ein.

Er entscheidet, dass die Gefangenen zu Fuß, im Abstand von jeweils 100 Metern, nach Schliengen gebracht werden sollen. Zu diesem Zeitpunkt hat der fanatische Nationalsozialist bereits den Entschluss gefasst, die gefangenen Soldaten zu töten. Einer nach dem anderen muss während des Marschs nach Schliengen in Grüners Auto steigen. Der Kreisleiter fährt mit den alliierten Soldaten – darunter auch Bruce Hosie – zu einem abgelegenen Ort am Rhein, wo er sie nacheinander erschießt.

Grüner wird für dieses Kriegsverbrechen nie zur Rechenschaft gezogen. Nach Kriegsende gelingt ihm die Flucht aus einem Gefangenenlager und schließlich setzt er sich nach Argentinien ab. Damit dieses Verbrechen nicht in Vergessenheit gerät, werden nun in Märkt und Rheinweiler Gedenktafeln aufgestellt.

Mahnung gegen erstarkende politische Kräfte von rechts

Bei einer Zeremonie im Beisein von Bad Bellingens Bürgermeister Carsten Vogelpohl, Weils Oberbürgermeister Wolfgang Dietz, des Ersten Landesbeamten Ulrich Hoehler sowie in Anwesenheit zahlricher Interessierter und Zeitzeugen wurde die Tafel nun der Öffentlichkeit präsentiert.

Bernd Hainmüller und Jost Grosspietsch haben die Geschichte von Bruce Hosie und seinen Kameraden, die dem Verbrechen zum Opfer fielen, so genau wie möglich rekonstruiert. Wichtig war dabei die Zusammenarbeit mit John Saunders, dem Großneffen von Bruce Hosie. Denn er hatte ebenfalls geforscht und bereits wichtige Erkenntnisse über das Schicksal seines Verwandten zusammengetragen.

Saunders betonte in seiner Rede die Bedeutung der Aufarbeitung der Verbrechen. „Wir dürfen die Geißel, die Diktaturen und Mörder für uns alle darstellen, nicht vergessen.“ Zugleich stellte er aber auch immer wieder die zwischenzeitlich herrschende Freundschaft zwischen den ehemaligen Kriegsgegnern ins Zentrum seiner Ausführungen.

Bürgermeister Vogelpohl schlug den Bogen in die Zukunft. Die genaue Betrachtung der Verbrechen der Nationalsozialisten sei gerade in einer Zeit besonders notwendig, in der politische Strömungen von rechts wieder zunehmend erstarken.

Gleiches betonte auch Ulrich Hoehler, der zudem darauf hinwies, dass man sich der Geschichte immer wieder aufs Neue stellen müsse. „Denn die Verbrechen sind vor der eigenen Haustür passiert“, so der Erste Landesbeamte.

Die Aufarbeitung von Grüners Verbrechen sei nicht einfach gewesen, wie Hainmüller und Grosspietsch berichteten. Denn die Quellenlage zu den Ereignissen sei gerade auch auf englischer Seite reichlich dünn. Warum das der Fall ist, könne nicht abschließend geklärt werden. Möglich sei, dass die Alliierten den Einsatz schlichtweg nicht umfassend dokumentieren wollten. Denn man könnte gerade vor dem Hintergrund des nahenden Kriegsendes davon ausgehen, dass ein derartiges Manöver von vielen Seiten kritisch gesehen wurde.

Mit QR-Code auf dem neuesten Stand der Forschung

Trotz der teils dünnen Quellenlage ist Hainmüller und Grosspietsch die solide Rekonstruktion des Kriegsverbrechens in weiten Teilen gelungen. Die Forschung gehe indes aber weiter und neue Erkenntnisse können Interessierten durch die Gedenktafeln in Zukunft direkt vermittelt werden. Dafür sorgt ein auf den Tafeln angebrachter QR-Code.

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