Basel Anekdoten hinter den Objekten zeigen

Adrian Steineck
 Foto: Juri Weiss

Büro für Dorfgeschichten Riehen sammelt Erlebnisse von Zeitzeugen.

Riehen - Die Geschichten hinter den Exponaten deutlich machen – das ist die Intention des Büros für Dorfgeschichten in Riehen, das Anekdoten und Erlebnisse von Zeitzeugen aus der Region sammelt. Diese sollen nach und nach der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Geleitet wird das Projekt von Vladimir Kostijal und Claudio Gioiella vom Team des Spielzeugmuseums Riehen, das zugleich das Rebbaumuseum und das Dorfmuseum mitbetreut. „Die Idee kam von unserer Kuratorin Julia Nothelfer“, berichtet Gioiella im Gespräch mit unserer Zeitung. Als Studenten der Geschichte seien er und sein Kollege Kostijal sofort Feuer und Flamme für das Vorhaben gewesen.

Absicht der beiden ist es, die Exponate im Museum mit den Geschichten dahinter zu beleben. „Wenn wir etwa eine Registrierkasse ausstellen und dazuschreiben, dass dies eine Kasse aus dem ehemaligen Haushaltsgeschäft Wenk ist, dann sagt das noch nicht viel über diesen Gegenstand aus“, sagt Gioiella.

Von der Büglerin, die keine sein wollte

Wie die beiden Projektleiter arbeiten, belegt er selbst mit einer Anekdote. „Eine Einwohnerin von Riehen hat meinem Kollegen angerufen und meinte, sie habe noch fünf Glätteisen zuhause, für die sie keine Verwendung mehr hat, da sie schon über 90 ist und bald ins Seniorenheim muss.“ Also fuhren die beiden zu der Anruferin nach Hause und sprachen mit ihr, wobei die Frau ihre Lebensgeschichte mit den beiden teilte: 1922 kam sie im Örtchen Brombach nahe dem gleichnamigen See in der bayrischen Provinz zur Welt, wohin ihr Vater als gebürtiger Schweizer emigriert war. Das beschauliche Landleben war vorbei, als der Vater sich im Jahr 1934 weigerte, der erstarkenden Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiter-Partei (NSDAP) beizutreten. In der Folge wurde der gesellschaftliche Druck auf ihn derart stark, dass er seine Anstellung verlor und damit rechnen musste, von niemandem mehr eingestellt zu werden. Es blieb nur die Rückkehr in die Heimat, wo der Vater eine Arbeit auf dem Bau fand. „Die Tochter musste nach dem Ende der Schulzeit als Büglerin in einer Wäscherei in der Mittleren Straße in Basel arbeiten“, sagt Gioiella. Der eigentliche Berufswunsch, eine Tätigkeit im Büro, blieb aufgrund der finanziellen Lage unerfüllt.

Auch wenn diese Geschichte auch etwas zum politischen Zeitgeschehen aussagt – Voraussetzung ist das keineswegs. „Die Geschichten können lustig, ernst, tiefgründig oder alltäglich sein“, beschreibt Gioiella das Prinzip dahinter.

Auch sollen sie keineswegs an der Riehener Grenze Halt machen: „Wir sind auch froh über Geschichten aus dem Badischen Raum, denn gerade während der beiden Weltkriege gab es ja Verwicklungen, die nicht an der Grenze aufgehört haben.“

Geschichten werden zugänglich gemacht

Zugänglich gemacht werden sollen die Geschichten im Internet, wo schon einige zu lesen sind, sowie im Dorfmuseum Riehen. „Wir wollen auch die Deutungshoheit des Museums aufheben, indem die Besucher selbst entscheiden, wie sie sich an unserer Geschichtensammlung beteiligen wollen“, sagt Gioiella.

Das soll zukünftig auch mit dem „Dorfspeicher“ geschehen. Dabei wird es sich voraussichtlich um einen Computer handeln, der im Dorfmuseum steht und an dem die Besucher sowohl die gesammelten Geschichten lesen als auch eigene Beiträge eingeben können. Umgesetzt wird dieses Vorhaben im Zuge der Neukonzeption des Dorfmuseums, mit der ab November kommenden Jahres begonnen werden soll – vorausgesetzt, der Einwohnerrat von Riehen gibt grünes Licht für den Projektierungskredit.

Bis es soweit ist, freuen sich die beiden Projektleiter über jede Geschichte. „Wir kommen auch gerne zu den Leuten nach Hause“, sagt Gioiella. Dazu soll demnächst sogar ein mobiles Büro angeschafft werden: ein Fahrrad mit einem Anhänger, in dem die Exponate zum Museum transportiert werden können.

Weitere Informationen: Die Geschichten sind unter www.spielzeugmuseumriehen.ch/buerodorfgeschichten einsehbar. Wer selbst etwas beisteuern will, kann sich unter Tel. 0041 / 61 641 28 29 oder per E-Mail an antonio.gioiella@riehen.ch sowie vladimir.kostijal@riehen.ch melden.

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