Basel Archaisch, experimentell, sinnlich

Jürgen Scharf
An Körperteile erinnern die skulpturalen stofflichen Arrangements von Hannah Gahlert. Foto: Jürgen Scharf

Kunst: Besuch bei der Regionale 19: Haus der Elektronischen Künste (HeK) und Kunsthalle.

Regio - Die Eröffnung der diesjährigen Regionale-Ausstellung fand im Haus der Elektronischen Künste (HeK) in Basel statt, einem Haus, das im allgemeinen Ausstellungsbewusstsein wahrscheinlich nicht so bekannt ist wie die Kunsthalle Basel oder der Kunst Raum Riehen. Dass das HeK immer und besonders bei dieser Regionale 19 einen Besuch wert ist, zeigt die Themenschau mit dem erfreulich noch deutschen Titel „Die Form des Klangs“.

Haus der elektronischen Künste

Erreichbar ist das Haus der elektronischen Künste ja ganz gut auch für Besucher aus dem Badischen. Die Tram 11, Haltestelle „Freilager“, hält auf dem Platz vor dem Gebäude, und schon ist man mitten drin in einer akustischen und audiovisuellen Welt, in der die Sound-Software eine ganz besondere Rolle spielt.

Fast stolpern wir über einen alten Plattenspieler auf dem Fußboden, über den Aufzeichnungen von Bewegungen von Hysteriepatienten wie eine musikalische Partitur durch Performerinnen hörbar gemacht werden.

Auch der umgebende Raum in dieser konzeptuellen Arbeit von Katharina Zimmerhackl suggeriert eine psychiatrische Klinik mit einer gelben Schaumstoffwand, die an eine Gummizelle erinnert.

Diese Re-Interpretation der musikalischen Forschung ist aber nur eines von verschiedenen Soundstücken, Installationen und Animationen mit Computermusik. Man kann sich Kopfhörer aufsetzen oder Videos anschauen. Heavy Metal-Gitarristen aus Youtube, unter denen sich auch der Künstler Patrick Steffen befindet, demonstrieren auf einer riesigen Videowand selbstironisch, wie schnell sie spielen können.

Da gibt es aber auch Sound-Kompositionen, die auf Musik von Richard Wagner zurückgreifen, oder eine Zweikanalinstallation von Elia Navarro, bei der man das Wasser rauschen hört, passend zu einer Schaumlandschaft. Verdutzt steht man vor einer Installation aus Eierschalen-Verpackungen, die als Schallwand dient.

Manches ist noch kryptischer, will richtig dechiffriert werden, wie die versteckte Message, die man nur im Internet auf der Webseite des Künstlers lesen kann. In verschiedenen Beiträgen überlagern sich Natur und Technologie wie in der interaktiven Arbeit „Wild Mouse Track“ von Karin Lustenberger mit einer vibrierenden Computermaus.

Bei der Eröffnung hätte man dabei sein sollen! Da machten Künstler Performances, bewegten sich und spielten mit Objekten zu diesen Soundstücken. Aber auch nur bei einem Rundgang kann man im HeK akustische Erfahrungen mit vielerlei Übersetzungen von visuellen Dingen in die Form des Klangs machen.

Mit Körper und Körperlichkeit auseinandersetzen

In der Kunsthalle Basel wird es körpernäher. Dieses renommierte Ausstellungshaus hat unter dem alttestamentarischen Konzepttitel „A Tooth for an Eye“ (Zahn um Auge) Werkbeispiele ausgesucht, die im weitesten Sinne sich mit Körper und Körperlichkeit auseinandersetzen. Da wird der Frage nachgegangen, welche Spuren Körper hinterlassen, die Abwesenheit von Körpern thematisiert, der Klang von Körpern abgehorcht.

Fast übersieht man am Eingang die ausgelatschten Turnschuhe von Daniel Kurth („Selbstbildnis“), aus denen Rauch aufsteigt, als hätte sich der Mensch verflüchtigt. Das sind die Spuren, die der Mensch hinterlassen hat, eine Hülse, der Körper abwesend. Ähnlich wie im hintersten Saal die Matratze, gefüllt mit den Habseligkeiten des Künstlers Dorian Sari. Überall sind ähnliche Herangehensweisen versammelt: menschenleere Häuser, Gipsabdrücke des bekannten „Monobloc“-Plastikstuhls, Gamepads einer Playstation zur Bronzeskulptur veredelt, manipulierte Massenobjekte. Künstliches Grün wächst aus Rollatoren und Leitern; da haben sich Pflanzen in den Objekten von Axel Gouala eine Welt und Mobilität angeeignet.

Leicht morbid und surrealistisch

Man kommt an Messern vorbei, die Inès P. Kubler in Wachs eingelassen hat. Und – leicht morbid und surrealistisch – an einer Laborsituationen mit einem Ersatzteillager für menschliche Körperteile wie Finger. Etwas gruselig, wie Simone Steinegger hier den Körper seziert und fragmentiert. Gar nicht erst zu reden von Kasper Ludwigs Ballonabgüssen von Gesichtern oder den Stillleben von Mona Broschár mit verfremdeten Nahrungsmitteln, welche zu lebendigen Körpern werden. Da weiß man nicht recht: Ist das Wurst oder eine Zunge oder etwas Amorphes? Auch Stoffgebilde von Hannah Gahlert quellen wie Gedärme hervor. Da werden Körper zu Schlachtfeldern und Schauplätzen künstlerischer Fantasie.

Gesamthaft betrachtet, geht es in diesen malerischen und skulpturalen Arbeiten weniger um Abbildhaftes als um Innenansichten des Körpers: archaisch, experimentell, sinnlich.  Regionale: Kunsthalle Basel bis 30. Dezember, Haus der elektronischen Künste (HeK) bis 3. Februar.

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