Basel Auf den Spuren der Geschichte

Die Oberbadische

Ausgrabung im Basler Spiegelhof / Hinweise auf Arbeitersiedlung

Simon Graber hält ein Stück Holz in der Hand. Der Archäologe gerät angesichts dieses Fundstücks regelrecht ins Schwärmen: „Wenn genügend Jahresringe vorhanden sind, können wir das Alter eines Holzstückes auf das Jahr genau datieren.“

Von Adrian Steineck

Basel. Graber ist gemeinsam mit seinem Kollegen Sven Billo wissenschaftlicher Ausgrabungsleiter im Spiegelhof, wo die Archäologische Bodenforschung Basel-Stadt aktiv ist. Zugleich soll mit der gut 500 Quadratmeter großen Ausgrabungsstelle, an der noch bis Ende des Jahres die Arbeiten laufen, Archäologie für Besucher erlebbar gemacht werden.

Feuchtboden schafft ideale Bedingungen

Die Fundstelle im Spiegelhof, unweit des Marktplatzes gelegen, ist nicht neu. „Bereits in den 1930er-Jahren wurde hier gegraben, und die Stelle ist international bekannt“, berichtet Graber im Gespräch mit unserer Zeitung. Denn es gibt europaweit wenig Vergleichbares, was den Erhalt der Fundstücke aus der Vergangenheit angeht.

Der Grund ist der sogenannte Feuchtboden, eine in Basel seltene Beschaffenheit des Erdreichs. „Das bedeutet, das der Boden hier immer feucht war, was dem Erhalt von organischen Materialien wie Holz zugute kommt“, erklärt Graber. Dieses zersetzt sich aufgrund des Sauerstoffmangels kaum. Das Schlimmste für solches Material sei es, wenn der Boden abwechselnd feucht ist und dann wieder austrocknet.

Die jüngsten Entdeckungen der 15-köpfigen Arbeitsgruppe der Archäologischen Bodenforschung Basel-Stadt deuten darauf hin, dass sich hier im 11. Jahrhundert ein ganzes Handwerkerviertel befunden hat. Das ist zwar nicht grundsätzlich neu: Bereits im Jahr 1937 wurde unterhalb der Peterskirche beim Bau des heutigen Spiegelhofs am Petersberg ein ganzes Stadtviertel von Holzhäusern entdeckt, bei denen es sich um die ältesten bekannten hochmittelalterlichen Wohnbauten von Basel handelt. Mehrere Gebäude, Werkplätze und Feuerstellen konnten nachgewiesen werden. Aber durch die aktuelle Ausgrabung konnten weitere Hinweise gefunden werden, welche die These vom Arbeiterviertel erhärten. „Schaf- und Ziegenschädel deuten darauf hin, dass hier gegerbt wurde“, berichtet Grabers Kollege Sven Billo. Denn im Mittelalter wurden die zu gerbenden Felle mit den Schädeln zusammen geliefert. Lederreste und erst jüngst ein Lederschuh, der etwa 25 Zentimeter lang ist, deuten ebenfalls in diese Richtung.

Dass auch Familien hier gelebt haben, belegt ein Spielzeugritter aus Ton. Die sieben Zentimeter hohe Figur wurde ebenfalls erst kürzlich ausgegraben. Zu den jüngsten Fundstücken gehören auch Keramikscherben und eine Münze, die bisher noch nicht datiert werden konnte.

Um die Archäologie erlebbar zu machen, werden wöchentliche, kostenlose Führungen angeboten, die auf rege Resonanz stoßen. „Es kommt häufig vor, dass bis zu 70 Besucher teilnehmen“, sagt Graber. Jüngst war die Besuchergruppe zwar etwas kleiner, aber die gut 20 Führungsteilnehmer lauschten dennoch gespannt dem, was sie zu hören bekamen.

Die meisten der Funde stammen aus dem Hochmittelalter, also aus der Zeit um 1100. Mit den Epocheneinteilungen ist das aber ohnehin so eine Sache, wie Graber an einem Beispiel deutlich macht. „Es gibt Historiker, die das Ende des Mittelalters an die Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus im Jahr 1492 festmachen, andere nehmen die Reformation zum Aufhänger, die 1517 mit Martin Luthers Thesenanschlag begonnen hat.“ Ohnehin gerät die Archäologie immer wieder an Grenzen und muss Unsicherheiten formulieren können. „Wir können nicht sagen: so war es, sondern nur: so könnte es gewesen sein“, bringt es Graber auf den Punkt.

Die Ausgrabungen haben im Januar begonnen und dauern bis Ende des Jahres. Budgetiert ist das Projekt mit zwei Millionen Schweizer Franken, die vom Kanton Basel-Stadt ausgeschüttet werden. Die Funde sollen säuberlich kategorisiert und später über einen Katalog zumindest in gedruckter Form für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Eventuell gibt es auch eine Sonderausstellung im Historischen Museum.

Auch nach dem Ende der Ausgrabungen ist laut Graber mit Überraschungen zu rechnen: „Es können etwa in einem Rostklumpen Metallstücke auftauchen, die man erst beim Durchleuchten sieht.“ Es bleibt also spannend.

Weitere Informationen: Die Führungen im Basler Spiegelhof finden noch bis zum 28. Juni immer donnerstags ab 12.30 Uhr statt und dauern etwa eine halbe Stunde. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Am Donnerstag, 31. Mai, findet wegen des Feiertags Fronleichnam keine Führung statt. Nähere Informationen finden Interessierte im Internet unter: www.archaeologie-live.ch.

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