Basel Barbaren sind immer die anderen

Jürgen Scharf
Autor Stephan Thome stellte den unglaublichen Stoff seines China-Romans „Gott der Barbaren“ im Basler Literaturhaus vor. Foto: Jürgen Scharf

Literatur: Stephan Thome stellt seinen Abenteuerroman vor.

Basel - Geschichtsromane können ganz schön spannend sein! Stephan Thomes „Gott der Barbaren“, der auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2018 stand, ist ein solcher historischer Abenteuerroman, bei man viel über die Kolonialgeschichte lernen kann.

Verwirrende Umbruchzeiten

Die Handlung reicht 150 Jahre zurück ins alte China, wo eine christliche (!) Aufstandsbewegung einen Gottesstaat errichten wollte. Das ähnelt ja fatal den heutigen Konflikten und Terrorbewegungen unserer Zeit wie dem IS. Auch damals also verwirrende Umbruchzeiten.

Dass der Roman aber auch mit der Regio zu tun hat, hängt mit der Hauptfigur zusammen, einem jungen deutschen Missionar, der im Auftrag der Basler Missionsgesellschaft nach Nanking entsandt wird, um sich ein Bild von der Rebellion zu machen. Philipp Johann Neukamp ist anfangs der Ich-Erzähler in dem 700 Seiten starken Historienschmöker.

Der Missionar lernt die Verantwortlichen der Taiping-Rebellion kennen, die langhaarigen Banditen, den Himmlischen König, der sich für Gottes zweiten Sohn, also den jüngeren Bruder Jesu, hält. Und schon ist man mitten drin im Opiumkrieg der Engländer gegen die Chinesen zwischen 1851 und 1864.

Thome, in Taipeh lebender Sinologe, hat minutiös recherchiert, und so stimmen sicher auch die Zahlen, dass dieser Krieg bis zu 30 Millionen Opfer gekostet hat. Ein Fakt, der im Westen nicht so bekannt ist.

Imperiale Politik

Die „Barbaren“, das sind immer die anderen. Man erfährt von dem 46-jährigen Autor viel über die blutige Bürgerkriegsbewegung, über die Volksgruppe der Hakka, kaiserfeindliche soziale Außenseiter und über die zentrale Rolle der weltweit tätigen Basler Missionsgesellschaft in diesem Konflikt. Und man versteht die imperiale Politik der heutigen Chinesen besser, wenn Thome sie durch die Brille der kolonialen Vergangenheit erklärt. Da tun sich Analogien und Parallelen zu heute auf, vor allem zu den religiösen Extremisten.

Wie man bei Thomes Lesung im Literaturhaus Basel mitkriegen konnte, sind zwei Hauptfiguren in diesem semifiktionalen Epochenroman historisch verbürgt: der Sonderbotschafter der britischen Krone, Lord Elgin, der Chefdiplomat, und der chinesische General Zeng Guofan. Zwei Personen, die dieses hochambitionierte Historienepos tragen.

Wenn man vorher die Hintergründe des Kulturkonflikts am Kaiserhof nicht kannte, war man gefesselt von dem komplexen Stoff dieses weit ausgreifenden Romans, in dem ein charismatischer Mann eine ganze Armee hinter sich sammelt und zur Bedrohung für die Oberschicht und die Kolonialmächte wird. Da erlebt man ein Riesenreich in einer Phase des Niedergangs.

Multiperspektivisch, aber doch in einem konfuzianisch gelassenen, modernen Schreibstil erzählt, entführt der „Gott der Barbaren“ in eine fremde Welt, wo verschiedene Denkmuster und Milieus aufeinanderprallen. Und schlägt durch die (erfundene) Figur des protestantischen Missionars immer wieder den Bogen zu Basel und der Welt der dortigen Mission.

Der Zuhörer oder Leser staunt nur so, was das Buch leistet und der Roman kann: Bei diesem gewaltigen Erzählpensum kann man nachvollziehen, wie es sich angefühlt hat, damals zu leben.

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