Wer tiefer in das Leben dieses modernen Wilhelm Tell einsteigen möchte, dem sei die ausführliche, über 300-seitige Manser-Biografie von Ruedi Suter empfohlen. Der Basler Autor und Journalist kannte Manser gut, begleitete dessen Arbeit und die des Fonds über Jahre und nahm sogar an einer der letzten Suchaktionen nach dem seit 2000 im Dschungel Malaysias verschollenen Umweltaktivisten teil.
„Er war ein guter Jäger und konnte daher im Dschungel überleben“, sagt Ruedi Suter. In den Langen Erlen, dem Basler Naherholungsgebiet, hat Manser seine ersten Forellen „gewildert“, im Flüsschen Wiese eine festgefrorene Ente aus dem Eis gerettet und im Hotzenwald im eiskalten Gebirgsbach der Murg fünf Forellen gefangen – mit bloßen Händen.
Die Natur hat den 1954 in Basel geborenen Bruno Manser immer interessiert. Schon in der Schulzeit ist er ein aufgeweckter „Querdenker- Bub“, der im Freien auf dem Balkon schläft und sich sein Lager mit Ästen auslegt. Eigentlich will er Medizin studieren, verweigert den Militärdienst, kommt dafür ins Gefängnis, ist elf Jahre Senner auf einer Alm in Graubünden, interessiert sich für Heilkunde und Höhlenforschung, probiert viele Berufe aus, Schafhirte, Fischer, Metzger, Schuhmacher, Kleidermacher, Schreiner – alles traditionelle Handwerke, die für seine späteren Abenteuer in der Wildnis überlebenswichtig sind, wo er sich als Wildschweinjäger mit Blasrohr und Pfeilgift bewährt und Schlangen fängt.
„Bruno wollte ein Leben als Jäger und Sammler in der freien Natur“, sagt sein Biograf, der den Naturforscher als körperlich bestens trainiert beschreibt, als einen Sportler mit ganz natürlichem Körpergefühl. Im Penanland wirft Manser seine Sandalen rasch weg, zwingt sich zum Barfußgehen, das im Laufe seiner Urwaldjahre zur Gewohnheit wird. Und zum Befreiungsakt: „Er, der Mensch der Moderne, war nicht mehr auf Schuhe angewiesen! Ein Sieg über sich selbst“, schreibt Sueter. Zuerst litt Manser unter offenen Füßen, musste sich regelmäßig mit dem Messer die Dornen herausoperieren, aber „mit dem Schmerz lernte er umgehen“.
Phänomen passt in unsere Zeit
Der „Dschungel-Gandhi“, den nur noch seine Brille als einziges Utensil der Zivilisation von der Penan-Familie unterscheidet, führt wie ein Ethnologe ausführlich Tagebuch. Darin schildert er die Blockaden und seinen friedlichen Kampf, er illustriert Flora und Fauna koloristisch und beschreibt die Wildnis und Lebensweise der Indigenen, die Baumschlangen, Fische, Korallen, Früchte, Buschmesser und Blasrohre.
Diese vom Bruno Manser-Fond editierten „Tagebücher aus dem Regenwald“ erschienen 2004 und wurden zum Besteller. Die Faksimile-Ausgabe dokumentiert Mansers handschriftlich in Großbuchstaben geschriebene Notizen über „eine solche Schöpfungsvielfalt in Farbe und Form, wie die Fantasie des Menschen allein sie kaum auszudenken vermag“.
In den Tagebüchern findet sich der bemerkenswerte Satz: „Wer begreift und nicht handelt, hat nicht begriffen.“ Das Phänomen Manser passt wieder gut in unsere Zeit, hat er sich doch früh für das Weltklima eingesetzt und versucht, das zu leben, was er predigte: ein Vorbild, wie heute eine Greta Thunberg.
Von seiner letzten Reise nach Sarawak ist Bruno Manser nie zurückgekehrt. Die Spur des 46-Jährigen verliert sich im Regenwald. Schicksal und Verbleib sind ungeklärt. Sein letztes Lebenszeichen war ein Brief vom Mai 2000. Seither ist er verschollen, aber nicht vergessen.
Buchtipps
Ruedi Suter: „Die Stimme des Waldes“, Biografie über Bruno Manser (2005), Zytglogge-Verlag, 343 Seiten, vergriffen, neu erhältlich als E-Book, 24 Euro. Bruno Manser: „Tagebücher aus dem Regenwald“, 712 Seiten, über 600 farbige Abbildungen, vier Bände mit Landkarte, Christoph Merian-Verlag, 89 Euro.