Basel Basler Aussteiger und Naturschützer

Jürgen Scharf

Biografie: Bruno Manser auf der Suche nach der Ursprünglichkeit des Lebens: neuer Spielfilm

Regio -  Borneo, malaysischer Dschungel, 1984: Ein junger Schweizer steigt aus dem Kanu und bahnt sich einen Weg durch den Regenwald. Er trekkt mit dem Kompass und Fernglas durch den Busch, schlägt Pfade ins Unterholz. Als er am Lagerfeuer einen Löwen in der Nähe brüllen hört, bläst er besänftigend auf seiner Flöte.

Auf der Suche nach der Ursprünglichkeit des Lebens ist der 30-jährige Basler Aussteiger Bruno Manser im „Garten Eden“ angekommen: ein Außenseiter, der ohne Konsum im Einklang mit der Natur leben möchte. Sechs Jahre lang lebt er von 1984 bis 1990 bei den Penan, einem der letzten Urwald-Nomadenvölker.

In dem neuen Spielfilm „Die Stimme des Regenwaldes“ des Schweizer Regisseurs Niklaus Hilber, der gerade noch vor dem zweiten Lockdown in den Kinos in Lörrach und Schopfheim anlaufen konnte und an wenigen Abenden zu sehen war, spielt der Basler Schauspieler Sven Schelker den charismatischen Öko-Aktivisten und Regenwaldschützer. Mit runder Gandhi-Brille, Lendenschurz und einem Blasrohr bewaffnet robbt er durch den Urwald.

Spannender Spielfilm über Dschungel-Gandhi

Bruno Manser, die Galionsfigur der weltweiten Regenwald-Kampagne, lebt in diesem epischen Film wieder auf. Packend wird dargestellt, wie er die indigenen Stämme der Penan im Kampf gegen die Holzfäller-Konzerne und die Rodung des Tropenwaldes bei friedlichen Straßenblockaden anführt.

Der Idealist, der sich zum internationalen Sprachrohr der bedrohten Eingeborenenvölker entwickelt und in Basel eine Umweltorganisation gründet, den Bruno Manser-Fonds, der seine Arbeit für die Völker des Regenwaldes bis heute fortsetzt, wird in Malaysia zum Staatsfeind Nummer 1 erklärt. 50 000 Dollar Kopfgeld werden auf ihn ausgesetzt. Der „weiße Penan“, einer der wichtigsten Umweltschützer der Welt, wird zum Gesicht des Widerstands.

Mit einer Petition für ein Embargo des Tropenholzes gelingt es dem unermüdlichen Streiter, den Regenwald auf die politische Agenda in Brüssel zu setzen und bis zur UNO nach New York vorzudringen. Mit spektakulären und medienwirksamen Protestaktionen verschafft sich der Menschenrechtler Gehör und Aufmerksamkeit. Einmal springt er mit dem Gleitschirm über dem Sitz des Ministerpräsidenten von Sarawak ab, macht Stunts am Matterhorn oder einen 60-tägigen Hungerstreik auf dem Berner Bundesplatz.

Sein globaler Kampf gegen das Abholzen und die Zerstörung des Regenwalds war ein Sisyphuskampf, bei dem er sich risikobereit und nervenstark mit der Weltwirtschaft anlegte. Der Film, der in der Schweiz lange und sehr erfolgreich lief, hat die Menschen neu sensibilisiert für Bruno Manser, der zu einer Kultfigur und zum Mythos geworden ist.

Wer tiefer in das Leben dieses modernen Wilhelm Tell einsteigen möchte, dem sei die ausführliche, über 300-seitige Manser-Biografie von Ruedi Suter empfohlen. Der Basler Autor und Journalist kannte Manser gut, begleitete dessen Arbeit und die des Fonds über Jahre und nahm sogar an einer der letzten Suchaktionen nach dem seit 2000 im Dschungel Malaysias verschollenen Umweltaktivisten teil.

„Er war ein guter Jäger und konnte daher im Dschungel überleben“, sagt Ruedi Suter. In den Langen Erlen, dem Basler Naherholungsgebiet, hat Manser seine ersten Forellen „gewildert“, im Flüsschen Wiese eine festgefrorene Ente aus dem Eis gerettet und im Hotzenwald im eiskalten Gebirgsbach der Murg fünf Forellen gefangen – mit bloßen Händen.

Die Natur hat den 1954 in Basel geborenen Bruno Manser immer interessiert. Schon in der Schulzeit ist er ein aufgeweckter „Querdenker- Bub“, der im Freien auf dem Balkon schläft und sich sein Lager mit Ästen auslegt. Eigentlich will er Medizin studieren, verweigert den Militärdienst, kommt dafür ins Gefängnis, ist elf Jahre Senner auf einer Alm in Graubünden, interessiert sich für Heilkunde und Höhlenforschung, probiert viele Berufe aus, Schafhirte, Fischer, Metzger, Schuhmacher, Kleidermacher, Schreiner – alles traditionelle Handwerke, die für seine späteren Abenteuer in der Wildnis überlebenswichtig sind, wo er sich als Wildschweinjäger mit Blasrohr und Pfeilgift bewährt und Schlangen fängt.

„Bruno wollte ein Leben als Jäger und Sammler in der freien Natur“, sagt sein Biograf, der den Naturforscher als körperlich bestens trainiert beschreibt, als einen Sportler mit ganz natürlichem Körpergefühl. Im Penanland wirft Manser seine Sandalen rasch weg, zwingt sich zum Barfußgehen, das im Laufe seiner Urwaldjahre zur Gewohnheit wird. Und zum Befreiungsakt: „Er, der Mensch der Moderne, war nicht mehr auf Schuhe angewiesen! Ein Sieg über sich selbst“, schreibt Sueter. Zuerst litt Manser unter offenen Füßen, musste sich regelmäßig mit dem Messer die Dornen herausoperieren, aber „mit dem Schmerz lernte er umgehen“.

Phänomen passt in unsere Zeit

Der „Dschungel-Gandhi“, den nur noch seine Brille als einziges Utensil der Zivilisation von der Penan-Familie unterscheidet, führt wie ein Ethnologe ausführlich Tagebuch. Darin schildert er die Blockaden und seinen friedlichen Kampf, er illustriert Flora und Fauna koloristisch und beschreibt die Wildnis und Lebensweise der Indigenen, die Baumschlangen, Fische, Korallen, Früchte, Buschmesser und Blasrohre.

Diese vom Bruno Manser-Fond editierten „Tagebücher aus dem Regenwald“ erschienen 2004 und wurden zum Besteller. Die Faksimile-Ausgabe dokumentiert Mansers handschriftlich in Großbuchstaben geschriebene Notizen über „eine solche Schöpfungsvielfalt in Farbe und Form, wie die Fantasie des Menschen allein sie kaum auszudenken vermag“.

In den Tagebüchern findet sich der bemerkenswerte Satz: „Wer begreift und nicht handelt, hat nicht begriffen.“ Das Phänomen Manser passt wieder gut in unsere Zeit, hat er sich doch früh für das Weltklima eingesetzt und versucht, das zu leben, was er predigte: ein Vorbild, wie heute eine Greta Thunberg.

Von seiner letzten Reise nach Sarawak ist Bruno Manser nie zurückgekehrt. Die Spur des 46-Jährigen verliert sich im Regenwald. Schicksal und Verbleib sind ungeklärt. Sein letztes Lebenszeichen war ein Brief vom Mai 2000. Seither ist er verschollen, aber nicht vergessen.

Buchtipps

  Ruedi Suter: „Die Stimme des Waldes“, Biografie über Bruno Manser (2005), Zytglogge-Verlag, 343 Seiten, vergriffen, neu erhältlich als E-Book, 24 Euro.   Bruno Manser: „Tagebücher aus dem Regenwald“, 712 Seiten, über 600 farbige Abbildungen, vier Bände mit Landkarte, Christoph Merian-Verlag, 89 Euro.

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