Basel Bei zentralen Punkten uneins

Michael Werndorff
Das institutionelle Rahmenabkommen mit der EU ist nach jahrelangen Verhandlungen nicht zustande gekommen. Foto: Archiv

Rahmenabkommen: Schweiz bricht Verhandlungen mit EU ab. Wirtschaft befürchtet Nachteile.

Basel - Der Schweizer Bundesrat hat am Mittwoch die Verhandlungen mit der EU um ein Rahmenabkommen abgebrochen. Die Handelskammer beider Basel erklärt, dass nun der bilaterale Weg auf dem Spiel stehe und Exportfirmen besonders hart getroffen würden.

Der Abbruch kam nicht überraschend. Schon lange war Sand im Getriebe, und ein positiver Ausgang der langwierigen Verhandlungen zwischen Bern und Brüssel wurde zuletzt nicht mehr erwartet. Außenminister Ignazio Cassis (FDP) begründete den Abbruch in einer Pressekonferenz mit „substanziellen Differenzen“ in zentralen Punkten des Abkommens. Laut Cassis hat die Schweiz in den Verhandlungen „wichtige Konzessionen gemacht“. Es gehe aber letztlich darum, die wesentlichen Interessen der Schweiz zu verteidigen.

Wozu ein Rahmenabkommen? Damit sollten die Marktzugangsabkommen zwischen der Schweiz und der EU einen institutionellen Rahmen erhalten und automatische Aktualisierungen geregelt sowie mögliche Streitigkeiten geschlichtet werden. Der Rahmenvertrag hätte die Abkommen zur Personenfreizügigkeit, zu Luft- und Landverkehr, zum Agrarhandel sowie zur Beseitigung technischer Handelshemmnisse betroffen. Auf diesen Feldern sollte die Schweiz zukünftig „dynamisch“ EU-Recht übernehmen.

Die Schweiz sah aber neue Vorschriften, die Gewerkschaften, Staatsrechtler und die rechte Partei SVP nicht akzeptieren wollten. Dabei ging es unter anderem um Regeln über Staatshilfen, Maßnahmen zum Schutz der hohen Schweizer Löhne und den Zugang von EU-Bürgern zu Schweizer Sozialkassen.

Die EU sei in vielen Teilbereichen des Vertragswerkes auf die Schweiz eingegangen, erklärt Grünen-Bundestagsabgeordneter Gerhard Zickenheiner.

Sorge vor Verlust der Souveränität

„Trotzdem führte das Mehrheitsverhältnis von Mitte-Rechts im Bundesrat nun dazu, dass aus Sorge um den Verlust von Souveränität und insbesondere der Furcht vor Unterwanderung des hohen Lohnschutzniveaus durch Firmen aus dem europäischen Umfeld die Verhandlungen abgebrochen wurden.“ Die EU-Verhandler signalisierten laut Zickenheiner bis zuletzt, dass sie nicht diejenigen sein werden, die vom Verhandlungstisch aufstehen.

Zickenheiner sieht mittelfristig gravierende Folgen für die Grenzregion, aber auch für den europäischen Stromhandel und den europäischen Forschungsstandort. „Bestehende Verträge zwischen der EU und der Schweiz werden zwar beibehalten, verlieren aber schon jetzt an Wert, weil sie nicht mehr den Rahmenbedingungen der EU entsprechen. Damit wird der Im- und Export zwischen der EU und der Schweiz sukzessive schwieriger, Lieferketten werden unterbrochen, und vor allem werden die Schweizer klein- und mittelständischen Unternehmen die Zeche bezahlen.“ Das werde sich auch auf den Arbeitsmarkt in den deutschen Grenzregionen mit fast 61 000 Pendlerarbeitsplätzen in der Schweiz auswirken, ist der Politiker überzeugt. „Darüber hinaus wird die Schweiz nicht mehr vollumfänglich am EU-Forschungsprogramm Horizon Europe beteiligt werden.“

Bundesrat soll Exportbranche stärken

Die Handelskammer beider Basel (HKBB) erklärt in einer Stellungnahme, dass der EU-Binnenmarkt für die Schweizer Wirtschaft essenziell sei. „Der Handel mit der EU macht über die Hälfte unseres gesamten Außenhandels aus. Die Region Basel spielt dabei eine zentrale Rolle“, erklärt HKBB-Direktor Martin Dätwyler. Ein Viertel aller Schweizer Exporte in die EU stamme aus den beiden Basel. Der Kanton Basel-Landschaft verdanke jeden zweiten Arbeitsplatz dem Export in die EU. Für die Hochschulen sei die Vernetzung in Europa und die Anbindung ans EU-Forschungsprogramm unverzichtbar. Der bilaterale Weg habe sich für die Schweiz bewährt und genieße in der Bevölkerung eine große Unterstützung, heißt es weiter.

„Ohne Rahmenabkommen droht die Gefahr, dass bestehende Abkommen nicht erneuert werden. Damit verlieren Schweizer Unternehmen nicht nur den reibungslosen Zugang zum EU-Binnenmarkt, auch neue, für die Schweiz unverzichtbare Abkommen im Bereich Strom oder Gesundheit werden schwieriger. Die Handelskammer beider Basel fordert, dass der Bundesrat nun schnell aufzeigt, wie die Schweiz den bilateralen Weg ohne Rahmenabkommen weiterführen kann.

„Für die Region Basel am dringendsten sind der Abschluss eines Stromabkommens, eine Anpassung des Abkommens über die technischen Handelshemmnisse sowie die Vollassoziierung im Forschungsabkommen Horizon Europe“, erklärt der HKBB-Direktor. Eine Erosion des bilateralen Wegs treffe insbesondere die Export-Firmen hart. Der Handel mit den EU-Staaten werde nun voraussichtlich teurer werden. „Wir fordern deshalb vom Bundesrat, dass er jetzt mit geeigneten Maßnahmen die Exportbranche gezielt stärkt.“

Tiefpunkt in der Europapolitik

Von einem Tiefpunkt in der Europapolitik spricht der Verein Regio Basiliensis. Es bestehe die Gefahr, dass der Bildungs-, Forschungs- und Innovationsstandort Schweiz auf dem Europäischen Kontinent isoliert werde. Entsprechend brauche es einen zukunftsfähigen und verlässlichen bilateralen Weg und Alternativen zum Rahmenabkommen.

Ein neues Verhandlungsmandat sieht Zickenheiner nicht so schnell kommen. Alleine ein Verhandlungsmandat von allen EU-Mitgliedern zu erhalten, könnte Jahre dauern. Daran dürften sich wiederum mehrere Jahre der Verhandlungen anschließen. „Es kommt jetzt auf die Kooperation der in den Grenzregionen wirkenden politischen Kräfte an, den Schaden klein zu halten und auf regionaler Ebene möglichst bilaterale Lösungen zu entwickeln.“

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