Basel Bekenntnis zur Vergangenheit

Die Oberbadische
Alain Claude Sulzer hat ein neues Buch geschrieben. Foto: zVg Foto: Die Oberbadische

Literatur: „Unhaltbare Zustände“ des Basler Autors Alain Claude Sulzer

Basel. Mit „Unhaltbare Zustände“ wählt der Basler Autor Alain Claude Sulzer eine ungewöhnliche Perspektive auf den gesellschaftlichen Umbruch Ende der 1960er Jahre. Er gibt nicht den Revolutionären eine Stimme, sondern jenen, deren Welt auseinanderbricht.

Im Zentrum der Geschichte stehen zwei Figuren: Robert Stettler und Lotte Zerbst. Beide Ende Fünfzig, beide leben alleine, er in Bern, sie in München; ihrer beider Privatleben ist unspektakulär. Bescheidenes Glück erfahren sie in ihrer jeweiligen Profession, er als Schaufensterdekorateur im Berner Warenhaus Quatre Saisons, sie als Radiopianistin beim Süddeutschen Rundfunk.

Es ist das Jahr 1968. Auf dem Berner Münster weht die Fahne des Vietcong, in den Straßen lärmen Demonstranten, die „die Welt gewaltsam verändern wollen“. Stettler reagiert mit einer verzweifelten Aktion der Gegenwehr. Lotte gelingt es, sich ihr bescheidenes Glück zu erhalten.

Ein formales Spiel

Diese Geschichte von eigentümlicher Melancholie akzentuiert der Autor mit einem formalen Spiel. Literarische Anspielungen macht er etwa mit dem Motto, das er seinem Werk voran stellt: ein Zitat aus „Radetzkymarsch“ von Joseph Roth, ein Werk, welches 1932 auf die Habsburgermonarchie als untergegangene Zeit zurückblickt.

Eine weitere Anspielung auf Umbruchzeiten steckt in der Beschreibung des Berner Warenhauses als „Paradies für Käuferinnen“. „Au bonheur des Dames“, in der Übersetzung „Paradies der Damen“, heißt ein Roman aus dem Jahr 1884; Emile Zola erzählt darin von den gesellschaftlichen Folgen des Untergangs kleiner Geschäfte durch das Aufkommen der großen Warenhäuser.

Zudem ist die Geschichte von Stettler und Zerbst gerahmt von einem Prolog und einem Epilog. Dieser Rahmen ist eine Anspielung auf das Genre der Novelle, die im 19. Jahrhundert eine Blüte erlebte. Auch sprachlich und stilistisch verortet Sulzer seinen Roman in vergangener Zeit.

Der Prolog, der autobiografisch gelesen werden kann, offenbart dabei einen Autor, dem wie seinen Figuren „etwas Anachronistisches anhaftet“. Letztlich treibt Sulzer also ein stilistisches Spiel, mit dem er sich zu seinen Figuren bekennt: „anständige, pflichtbewusste und unauffällige Menschen“, die widerborstig auf die Zumutungen der neuen lauten Zeit reagieren. Sulzer ist für den diesjährigen Schweizer Buchpreis nominiert, der am 10. November am Literaturfestival BuchBasel verliehen wird.  Alain Claude Sulzer: „Unhaltbare Zustände“. Galiani Verlag, Berlin 2019, 272 Seiten

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