Basel Die Ziellinie fest im Fokus

Toni Kostic
Lässt sich auch im geschäftigen Treiben der Werkstatt nicht aus der Ruhe bringen: Rennfahrerin Jndia Erbacher. Foto: Toni Kostic

Reportage: Die Schweizerin Jndia Erbacher fährt Dragsterrennen / Schnellste Rennfahrerin Europas

Von Toni Kostic

Dornach. Der 10000 PS-Bolide wird mit Nitromethan angetrieben. Die Schweizerin Jndia Erbacher erreicht als schnellste Dragster-Fahrerin in Europa das Ziel mit über 500 Kilometern pro Stunde.

Dornach. „Entschuldige bitte die Verspätung“, sagt Jndia Erbacher. „Es gibt gerade einfach noch einiges zu organisieren“. Sie tritt aus der Garageneinfahrt einer ehemaligen Werkhalle auf dem Wydeneck-Industriegebiet, in der die Techniker ihres Rennsportteams konzentriert an ihrem Auto arbeiten. Im Hintergrund auf dem Vorplatz steht der mit Sponsoren- und Teamlogo versehene Truck, der den Rennwagen an die Austragungsorte Europas fährt. Noch sind es drei Wochen, bis sie in Hockenheim ihre nächsten Rennen fährt.

„Also ‚Drag Racing‘ ist der Sport und ich fahre in der Klasse ‚Top Fuel‘ sogenannte ‚Dragster‘, die die schnellsten Rennautos beim Drag Race sind“, erklärt Erbacher. Ihr Dragster besitzt 10 000 Pferdestärken und beschleunigt während eines Rennens auf über 500 Kilometer pro Stunde.

Rekordhalterin seit 2019

Seit 2019 hält die 28-Jährige den Geschwindigkeitsrekord für Europa – mit 513,31 Kilometern pro Stunde legte Erbacher die 1000 Fuß Streckenlänge (umgerechnet 304,8 Meter) in 3,817 Sekunden zurück. Gefahren wird im Knock-Out System: Wer langsamer ist, scheidet aus. Anders als bei rundenbasiertem Rennsport, bei dem die Fahrer jede Runde aufs Neue aufholen können, habe man beim Drag Race nur einen Lauf, um schneller als die Konkurrenz auf der Nebenstrecke zu sein.

Ganz ungefährlich sind die Rennen nicht, was schon daran liegt, dass ein Dragster mit flüssigem Sprengstoff, mit Nitromethan, befüllt wird. „Es passiert regelmäßig, dass der Motor explodiert“, Erbacher lacht kurz. „Wir hoffen natürlich, dass es nicht passiert, und ich sitze immer noch hier und mir geht es gut.“ Motorexplosionen gehören, laut der Rennfahrerin, dennoch dazu, weil die Motoren der Wagen technisch so hochgezüchtet seien. Man stelle sich das Fahrzeug am besten als eine Bombe vor, von der man nicht möchte, dass sie explodiert, sagt Erbacher. Während eines Laufs nähert sich die Fahrerin nun der Explosionsschwelle gefährlich nahe, um das maximale Potenzial aus dem Rennwagen herauszuholen. Dabei passiere es eben auch, dass die Bombe hochgeht.

Was ihr während eines Rennens durch den Kopf geht beziehungsweise was sie währenddessen fühlt, fällt Erbacher schwer zu sagen. „Mir kommen diese 3,8 Sekunden nicht so vor wie 3,8 Sekunden, sondern natürlich viel länger“, sagt die Rennfahrerin. „Ich habe dabei so einen enormen Adrenalinschub und ich glaube, da funktioniert man einfach.“ Beispielsweise kann Erbacher bei den hohen Geschwindigkeiten nur erfühlen, ob das Auto gerade zur Strecke liegt, und dementsprechend gegensteuern, weil es permanent zur Seite ausschlägt.

„Die Leute fragen mich auch oft: ‚Atmest du während deinem Lauf?‘ Ich habe keine Ahnung. ‚Blinzelst du während deinem Lauf?‘ Ich weiß es nicht. Während des Rennens fühle ich mich wie in einem Film“, sagt Erbacher. Eigentlich sei es ein Rausch, in dem man sich befinde – es gebe in diesem Moment nur noch sie und die Ziellinie. Wenn am Ende des Laufs die Bremsschirme gezogen werden, ist der Prall dadurch, erläutert die Rennfahrerin, wie ein Schuss zurück in die Realität.

Erstes Rennen mit 20

Das erste Mal auf dem Rennplatz war Erbacher, als sie drei Wochen alt war. Ihr Vater Urs, der sechs Europameisterschaftstitel gewann, sei schon seit 35 Jahren im Drag Racing aktiv, sodass sie damals so in den Sport hineingewachsen ist. Erst mit etwa 20 Jahren habe Erbacher aber an eigenen Rennen teilgenommen.

Zuvor, erzählt sie, sei sie im Reitsport aktiv gewesen und ihre Eltern hätten auf der abgeschlossenen Matura und der Berufsausbildung bestanden.

Der Motorsport sei Jndia Erbachers Leidenschaft; daneben gehe sie, wie alle ihre Teammitglieder auch, einer Vollzeitbeschäftigung nach. Bis zuletzt sei sie bei der Motorfahrzeugkontrolle der Kantonspolizei in Münchenstein beschäftigt gewesen. Nun habe sie seit zwei Wochen eine neue Stelle bei der Fachhochschule Nordwestschweiz angenommen.

Erbacher erzählt: „Ich bin für Events zuständig und bin für das Management unterstützend tätig.“ Das neue Tätigkeitsfeld decke sich dabei mit ihren Aufgaben, die sie bis dato in der Funktion als Geschäftsführerin ihres eigenen Unternehmens wahrgenommen hat. Erbacher zufolge sei es gerade, mit dem Blick auf Hockenheim in drei Wochen, ziemlich stressig, einen neuen Job anzufangen. Für Hockenheim nehme sie sich Urlaub.

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