Basel Disco-König mit Herz für Kinder

Denis Bozbag

Unikat: Heinz P. Müller betreibt seit rund 50 Jahren die Kinder-Autobahn in den Langen Erlen

Basel - Aus einer Box dröhnt Disco-Funk der 1970er-Jahre. Ein auffällig gut gekleideter Mann läuft zwischen bunten in Reih und Glied stehenden, teilweise leicht ramponierten Autoscootern prüfend hin und her und deckt die schwarzen Ledersitze zum Schutz vor der Sonne mit Handtüchern ab. Wo sonst ein aufjuchzendes, freudiges Kindergeschrei den Verkehrsgarten beim Tierpark in den Langen Erlen erfüllt, herrscht an diesem warmen Frühlingsmorgen ungewohnte Stille.

„Das liegt an dem üblen, finsteren, düsteren, bösartigen, dunklen, mutierten, schlimmen Virus, das uns Schaustellern gerade das Leben schwer macht“, beklagt sich Heinz P. Müller, Basler Urgestein und Inhaber der Kinder-Autobahn Lange Erlen, im Gespräch mit unserer Zeitung.

Schließung war ein Novum

Über Ostern habe er einen Monat schließen müssen, bis der Basler „Gesundheitsmensch“ Thomas Steffen die Kinderspielplätze wieder für die Öffentlichkeit freigegeben habe. Die Schließung war ein Novum in der 48-jährigen Geschichte dieses Ortes, an dem Kinderherzen höher schlagen.

Eine junge Familie mit zwei Kindern auf Fahrrädern schlendert neugierig an der Bahn vorbei. Müller wendet sich sogleich zum Elternpaar hin: „Wir haben wieder geöffnet – Sicherheitsabstand, Seife, Desinfektionsmittel und Handtücher inklusive.“ Die jungen Leute lächeln und laufen weiter.

Nun seien es schon wieder mehr Leute, die zu ihm kämen, aber dieses Ding werde alle noch lange begleiten, ist sich der schillernde Disco-König der Langen Erlen sicher. „Ich bin eigentlich Optimist, aber für die Zukunft sehe ich schwarz. Jetzt hat man auch noch die Basler Herbstmesse abgesagt. Dann bin ich der einzige Schausteller hier, der für Unterhaltung sorgt.“

Geöffnet das ganze Jahr

Seine Bahn habe täglich von 13 Uhr, in den Schulferien schon ab 10 Uhr, das ganze Jahr durch bis Sonnenuntergang geöffnet. Selbst im Winter – lange bevor dieser Herr Mack mit seinem Europapark es ihm nachtat, scherzt Müller. „Dank der Erderwärmung wird es nicht mehr richtig kalt hier.“

Mit 18 Jahren schmiss Müller die Schule und machte sich mit einem Getränkehandel selbstständig, belieferte die regionale Gastronomie mit Biotta Karottensaft und lernte Anfang der 1970er-Jahre Gusti Berner, den bekannten Erlenpark-Wirt, kennen.

Mit 32 Jahren übernahm er damals von diesem den Betrieb der Kinder-Autobahn. Für nur einen Franken konnten Mädchen und Jungen mit den zwölf Volt batteriebetriebenen Elektroautos ihre Runden drehen. „Mit Kindern zu arbeiten, macht Riesenspaß und hält jung“, sagt der 82-Jährige und weist darauf hin, dass er noch keinen Rollator brauche.

Seine Haftpflichtversicherung sei seit 50 Jahren unbelastet. Mit seinen 41 Autoscootern habe es noch keinen Unfall gegeben. „Klar stößt sich ein Kind mal die Nase an oder fährt gegen ein Verkehrsschild, wenn die Eltern mit dem Fotoapparat rumfuchteln und die Kleinen dazu bringen, bei voller Fahrt nach hinten zu blicken.“

Schlagfertiger Humor und „funky“ Musik

So unverwechselbar wie sein schlagfertiger Humor ist Müllers Faible für „funky“ Musik. Als der Song „Saturday Night Fever“ die Disco-Ära einläutete, eröffnete er im Aargau den Nachtclub „Happy Life“. Dort veranstaltete er Shows mit einem 250 Kilogramm schweren sibirischen Tiger, Braunbären und aus dem Ausland eingeflogenen DJs. Er erinnert sich gerne zurück an eine mondäne Partyszene, welche die Nacht zum Tag machte. Die heutige Nachtwelt treffe es mit Corona gerade am härtesten.

Müller saß 25 Jahre im Zentralvorstand der Vereinigten Schweizer Schaustellerverbände und kennt die existenzbedrohende Lage seiner Mitglieder. Dies sei einer der Gründe, warum er jetzt den Schritt in die lokale Politik wagen will und sich im Oktober zu den Großratswahlen für die SVP aufstellt.

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