Basel Ein gelungenes Experiment

Die Oberbadische
Dass ein Mensch so lang die Luft anhalten kann: Szene aus „Asthma“ Foto: Dorothee Philipp Foto: Die Oberbadische

Multimediales Stück „Asthma – Brav in die neue Welt“ feiert im Basler Kulturclub „Sud“ Premiere

Von Dorothee Philipp Basel. In der Ukraine ist ein Unglück passiert. Was, wissen wir nicht, aber die Menschen, die in dem Sole-Sanatorium „Salzsymphonie“ 300 Meter unter der Erde Wellness oder Heilung gesucht haben, müssen erst einmal da unten bleiben. Das ist die Ausgangssituation des multimedialen Stücks „Asthma – Brav in die neue Welt“, das am Samstag im Basler Kulturclub „Sud“ Premiere hatte.

Das Gemeinschaftsprojekt des Kulturvereins „kreide komma kohle“ nach einem Text von Philipp Rohrer geht von der bewährten Konstellation psychologischer Befindlichkeiten in einem geschlossenen System aus: Agatha Christies „Mord im Orientexpress“, Sartres „Huis Clos“ oder etwas profaner „Dschungelcamp“ – diese Versuchsanordnung gibt einiges her. Die Anspielung des Titels auf Huxleys „Brave New World“ ist nicht zu übersehen.

David Flepp, Miro Caltagirone, Laura Lienhard und Norwin Tharayil spielen die Prototypen, die im Salzstollen eingeschlossen ihren neuen Lebenskosmos ausloten. Das Geschehen ist gegliedert durch die Überschriften, die auf den zahllosen, zu dreidimensionalen Tableaus zusammengepuzzelten Fernsehmonitoren auftauchen, wo zum Eingang eine Fahrt durch die grünen Wiesen der Ukraine als Roadmovie gezeigt wurde. „Demokratie und Soziales“, „Götter und Maschinen“, „Kleider und Leute“ heißen einige der zahlreichen Kapitel, die das Quartett mit improvisatorisch anmutenden Elementen aus Sprechtheater, Modern Dance, Pantomime und Schauspiel füllt.

Die Geräuschkulisse besteht komplett aus Theatergeräuschen, eine „Weltpremiere“ wie Autor Rohrer am Ende feststellt. Was das stark mit Assoziationen arbeitende Stück zusammenhält, ist der ungewöhnliche Ort, der bis in den letzten Winkel hinein bespielt wird, sogar der Glasgalerie, die wie ein Schwalbennest an der Decke klebt, kommt im Finale eine wichtige Funktion zu:

Atemberaubende Szenen – im wahrsten Sinne der Wortes

Die Schauspieler stechen die aufgehängten Salzsäcke auf, dass das weiße Pulver in dünnen Fäden herausrinnt wie eine Dusche, unter der sich die Akteure aalen. Die Zuschauer sitzen verteilt mitten im Geschehen, auf Stuhlreihen, an Tischen, auf dem Podest und oben auf der Galerie.

Immer wieder ist auch der Atem ein Thema, etwa wenn der Doktor seine Patienten fragt: „Was macht die Lunge heute?“ oder die Schauspieler nach einer wilden Hetzjagd von unten hoch über die Galerie und wieder hinunter und wieder hoch völlig aus der Puste japsend die Vorzüge der „Salzsymphonie“ anpreisen.

In der im wahrsten Wortsinn atemberaubendsten Szene tauchen sich die Schauspieler wechselweise mit dem Kopf in ein mit Wasser gefülltes Waschwännchen – dass ein Mensch so lang die Luft anhalten kann! Man schnappt unwillkürlich selbst, wenn der Kopf wieder auftaucht. Es ist ein vielteiliger, immer wieder durch neue Effekte verblüffender Bilderbogen, der hier ausgebreitet wird, trotzdem waltet darin eine disziplinierte Selbstbeschränkung in der Wahl der Requisiten, was die Assoziationen ins Beliebige erweitert hätte. Alles ist auf Körpersprache, Ausdruck und Text angelegt, und da beweisen die vier, die meist in neutralem Hellgrau auftreten, exzellente Qualitäten. Für Absurdität und Komik ist viel Platz, so beispielsweise im Streit der vier, ob man abhauen soll oder nicht, der in einen rhythmisierten Sprechgesang mündet.

Themen fehlt esetwas an Tiefgang

Zur Aufführung gehören auch die poppigen Gemälde, mit denen der gesamte Raum ausstaffiert ist. Sie stammen von Sandro Placenti und Joao Hoyler vom Stuttgarter „Büro für Auratisierung“ (Auratisierung: Mit einer emotionalen und kulturellen Bedeutung versehen) und greifen die Assoziationsfäden des Stücks mit bildnerischen Mitteln auf. Auch wenn das Stück im Hinblick auf die angesprochenen existenziellen Themen einiges an Tiefgang vermissen lässt, weil die Bilder einfach zu schnell wechseln, und vieles nur angerissen wird, ist es doch als Experiment gelungen. u  „Asthma- Brav in die neue Welt“ von Philipp Rohrer; Kulturhaus Sud, Burgweg 7, Basel. Termine: 18. und 19. 3. jeweils 20 Uhr; 21.3. um 18.30 Uhr; 23.3. um 19 Uhr; 7., 8. und 9.4 jeweils um 20 Uhr und 11.4. um 19 Uhr Spielplan, Reservation und Infos unter www. kreidekommakohle.com

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