Basel Ein Meter Richtung Zukunft

Tim Nagengast
Ab Dezember sollen topmoderne „Tramlink“-Niederflurfahrzeuge auf der Waldenburgerbahn verkehren. Foto: Fotos: Tim Nagengast

Verkehr: Komplettneubau der Waldenburgerbahn / Investition: 300 Millionen Franken

Der Neubau der Bahnstrecke im Waldenburgertal ist in vollem Gange. Erste Gleise in Meterspur sind verlegt, neue Bahnhaltestellen werden angelegt, Perrons asphaltiert, Bahndämme aufgeschüttet, Stützwände errichtet und die für die Großbaustelle teilweise verlegte Kantonsstraße in Teilen erneuert. Ab Dezember sollen topmoderne „Tramlink“- Niederflurzüge auf der 13 Kilometer langen Gleistrasse zwischen Liestal und Waldenburg verkehren. Insgesamt werden rund 300 Millionen Franken investiert.

Von Tim Nagengast

Liestal/Waldenburg. Ein nur wenige Meter langes Stückchen altes Gleis am südlichen Ortseingang von Hölstein im Waldenburgertal legt noch Zeugnis ab von der schmalsten Bahnstrecke der Schweiz, die hier bis April 2021 verkehrte. Ganze 75 Zentimeter ist der Schienenstrang breit, mithin zwei Wanderschuhlängen. Alles andere ist bereits „raus“. Weg.

Was kommt, kann man heute schon in Bubendorf bewundern. Hier sind die Meterspurgleise, wie sie auch im Basler Tramnetz zum Einsatz kommen, in ihrem frischen Schotterbett verlegt. Der doppelspurige Bahnhalt „Bad Bubendorf“ ist zu bestaunen. Schwere Schienenkräne rollen dort, Männer in signalorangen „Blaumännern“ arbeiten sich talaufwärts.

Die Bahnlinie im Waldenburgertal samt ihren 13 Haltestellen mit so gemütlich klingenden Namen wie Talhaus, Weidbächli oder Hirschlang soll bis Ende dieses Jahres vollständig erneuert sein: neue Gleise, neue Stadtbahnzüge („Tramlink“), neue Haltestellen und ein komplett neuer Bahnhof am Endpunkt in Waldenburg samt Bahndepot, Werkstatt, Unterhaltshalle, Waschanlage und Personalräumen.

Kastige Optik

Vorbei sind hier die Zeiten, in denen zwar charmante, aber doch arg rustikale und aus der Zeit gefallene Schmalspurtriebwagen mit Baujahr 1985 talauf, talab zuckelten, schepperten und quietschten. Mit ihrer kastigen Optik und ihrem zuletzt ein wenig verbleichenden beige-roten-Anstrich erinnerten sie stets ein wenig an „Tatra“-Straßenbahnen, die manchmal sogar noch heute in vielen Großstädten des früheren Ostblocks zum Einsatz kamen.

Flott und modern

Mal neben der Kantonsstraße, mal auf ihr: Was das Eisenbahnkreuzungsgesetz in Deutschland so nicht durchgehen lässt, war im Waldenburgertal bis dato Usus. Dass das Zügli abschnittsweise aus Platzgründen innerorts den engen Verkehrsraum mit Autos, Lastern und Fahrrädern teilte – kein Problem. Doch diese Zeiten sind vorbei.

Was kommt, ist flott, modern, schnell und leise. Stehen die Signale im Waldenburgertal ab Dezember auf grün, verkehrt dort mit den „Tramlinks“ das modernste Rollmaterial im TNW-Gebiet. Ein Blick in die Glaskugel offenbart nur eine Idee dahinter: Die Waldenburgerbahn (dann BLT-Linie 19) könnte an das vielleicht einmal über Pratteln hinaus erweiterte Basler Tramnetz angeschlossen werden. Ob in naher oder ferner Zukunft: Die Weichen dafür werden entlang der Vorderen Frenke bereits gestellt.

Für Talbewohner und Berufspendler ist die aktuelle Situation derweil nicht einfach, obgleich anstelle der Züge knallgelbe Ersatzbusse verkehren. Zu Stoßzeiten sogar im 7,5-Minutentakt. Wer das Waldenburgertal mit ähnlich strukturierten Gebieten im Badischen vergleicht – ein Beispiel wäre das Kandertal – mag sich ob eines solchen Schienenersatzangebotes eventuell ungläubig die Augen reiben.

Trotzdem muss man aktuell etwas mehr Zeit einplanen, will man das Waldenburgertal per Bus oder Auto erfahren. Denn die Bahnstrecken-Umspurung wurde zum Anlass genommen, noch weitere Infrastrukturprojekte in Angriff zu nehmen. Dazu gehören die Teilerneuerung der Kantonsstraße sowie ein umfassender Hochwasserschutz an der Vorderen Frenke. Deren Ufer wurden abschnittsweise komplett neugestaltet und mit mächtigen Granitsteinen gestützt, Böschungen wurden aufgeschüttet, Uferbereiche renaturiert und gesichert sowie Schutzmauern hochgezogen

Radwege unterbrochen

Was das bedeutet? Teilweise einspurig geführter Verkehr, Ampeln, nicht leicht zu überblickende Verkehrsführungen für Autofahrer. Noch schwerer haben es die Radfahrer, denn der Radweg durchs Waldenburgertal ist derzeit in Teilen gar nicht mehr vorhanden. Die in der Schweiz üblichen roten Velo-Umleitungsschilder verweisen hie und da gar auf die Kantonsstraße. Zwischen Bubendorf und Hölstein wurde immerhin ein provisorischer Radweg aus geriffelten Kunststoffmatten auf der anderen Flussseite der Vorderen Frenke verlegt.

Fußwanderer sollten diesen Bereich am besten komplett meiden, denn das Tal ist zu eng für komfortable Ausweichmöglichkeiten. Zwar kann man nach wie vor auf den Höhenzügen wandern. Wer jedoch dem Flüsschen im Tal auf Schusters Rappen folgen möchte, der kämpft bald mit „Privat“-Schildern und Zäunen, joggt gar auf dem Radschutzstreifen der Kantonsstraße oder schleicht über das eine oder andere Firmenareal, um irgendwie voranzukommen.

In die Slowakei verkauft

Wer all dies nicht scheut, hat die seltene Möglichkeit, den Um- beziehungsweise Komplettneubau einer Bahnstrecke zu bewundern. Und bekommt vielleicht ein Gefühl dafür, was „im Dütsche“ ansteht, sofern die Kandertalbahn dereinst tatsächlich reaktiviert werden sollte.

Übrigens: Das bis voriges Jahr im Waldenburgertal rollende Zugmaterial ist keineswegs verschrottet worden. Die BLT hat es zum Komplettpreis von gerade einmal 80 000 Franken in die Slowakei verkauft. Die alten „Waldenburgerli“ werden künftig auf der „Schwarzgranbahn“ („Ciernohronská železnica“) im Slowakischen Erzgebirge rollen, einer sogenannten Waldbahn. Diese soll nämlich für den Regelzugbetrieb reaktiviert werden.

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