Basel Eine Zeitreise in 47 Sekunden

Die Oberbadische

Forschung: Ältester Basler Film von 1896 birgt viele Geheimnisse

Es sind nur 47 grobkörnige Filmsekunden – und doch haben sie unschätzbare Bedeutung für die Erforschung von Basel an der Schwelle zum 20. Jahrhundert: Der Film „Bâle: Pont sur le Rhin“ aus dem Jahr 1896 stellt das älteste Filmdokument der Stadt am Rheinknie dar und wurde von dem Basler Medienwissenschaftler und Filmhistoriker Hansmartin Siegrist unter die Lupe genommen.

Von Adrian Steineck

Basel. Eine scheinbar spontane Szene: Fußgänger überqueren die Basler Rheinbrücke. Doch bei genauem Hinsehen fällt auf, dass das Wogen der Menge so spontan nicht ist. Ein Junge im Bildvordergrund dreht sich zur Kamera um und läuft mehrfach durchs Bild, aus einer offenen Kutsche heraus gibt ein Mann unauffällig Handzeichen. Handelt es sich dabei etwa um Regieanweisungen?

Hansmartin Siegrist bestätigt das im Gespräch mit unserer Zeitung. „Im Kutschwagen sitzt der Werbefachmann François-Henri Lavanchy-Clarke, der in ganz Europa für Filme und Seifenprodukte warb.“ Was er und seine Mitarbeiter vom Seminar für Medienwissenschaft der Universität Basel in dreijähriger Forschungsarbeit und in Zusammenarbeit mit etwa 50 Institutionen und Archiven herausgefunden haben, geht aber weit über diese Erkenntnis heraus. So konnte der kurze Streifen aufgrund der meteorologischen Gegebenheiten exakt auf den 28. September 1896, 12.30 Uhr mittags, datiert werden.

Die im Hintergrund zu sehenden Brückenelemente ließen wiederum Rückschlüsse auf die Körpergröße der gefilmten Personen zu, was mithilfe von Fotografien und der digitalen Restaurierung des Filmmaterials zahlreiche Identifikationen zuließ. So handelt es sich bei einem der Männer auf der Brücke um den Seidenfärbermeister Achilles Lotz, der sich laut Siegrist damals als „König von Kleinbasel“ fühlte. Lotz nahm unter anderem die Paraden des in Kleinbasel traditionell im Januar stattfindenden Vogel Gryff ab. Auch seine Familie ist in dem Film zu sehen.

Dass sich der angesehene Basler Geschäftsmann überhaupt filmen ließ, liegt für Siegrist daran, dass es sich beim Regisseur Levanchy-Clarke um einen Geschäftspartner handelte. Denn das Medium Film galt in seiner Entstehungszeit als billiges Jahrmarktvergnügen, keineswegs als eine Unterhaltungs- oder gar Kunstform, die der oberen Gesellschaftsschicht würdig war. Dabei gerät Siegrist ins Schwärmen. „Ein besseres Zeitdokument als den Film gibt es nicht.“ So erlauben selbst scheinbar banale Alltagsszenen vom Ende des 19. Jahrhunderts Einblicke in die damalige Lebenswirklichkeit. „Wir wissen etwa aus damaligen Filmaufnahmen, dass früher nur der Mann in einer Familie das Recht hatte, Zeitung zu lesen“, nennt Siegrist ein Beispiel. So seien die 47 Sekunden des Rheinbrücken-Films ein Epochenporträt und als solches wichtig für Basel.

Siegrist rechnet damit, dass in den kommenden Jahren noch viele filmische Schätze auftauchen respektive dank neuer Technik besser analysiert werden können. „Vom Ende des 19. Jahrhunderts ist sehr viel mehr erhalten geblieben als aus der Zeit während des Ersten Weltkriegs von 1914 bis 1918.“

Der Basler Film hat Siegrist und seine Mitstreiter bereits eine weitere Entdeckung beschert: Auf einem Film, der ebenfalls von Levanchy-Clarke stammt und auf der schweizerischen Landesausstellung von 1896 in Genf entstanden ist, konnten die Forscher Ferdinand Hodler, einen der bekanntesten Schweizer Maler des 19. Jahrhunderts, identifizieren (siehe unser Bild oben). Es handelt sich bei dem schon länger bekannten Streifen somit um die einzige bekannte Filmaufnahme Hodlers.

Weitere Informationen: Ausschnitte aus dem Basler Rheinbrücken-Film mit Erläuterungen sind im Internet unter www.filmpodium.ch zu sehen (unter dem Menüpunkt „Stummfilmfestival 2018“.)

Obwohl die „bewegten Bilder“ offenbar gleichzeitig an verschiedenen Orten erfunden worden sind, gilt der 28. Dezember 1895, als die Brüder Lumière in Paris ihre erste öffentliche Vorführung veranstalteten, als Geburtsstunde des Films. Die Lumières filmten Alltags- und Familienszenen, der erzählende Film entstand erst später.

Obwohl die „bewegten Bilder“ offenbar gleichzeitig an verschiedenen Orten erfunden worden sind, gilt der 28. Dezember 1895, als die Brüder Lumière in Paris ihre erste öffentliche Vorführung veranstalteten, als Geburtsstunde des Films. Die Lumières filmten Alltags- und Familienszenen, der erzählende Film entstand erst später.

Obwohl die „bewegten Bilder“ offenbar gleichzeitig an verschiedenen Orten erfunden worden sind, gilt der 28. Dezember 1895, als die Brüder Lumière in Paris ihre erste öffentliche Vorführung veranstalteten, als Geburtsstunde des Films. Die Lumières filmten Alltags- und Familienszenen, der erzählende Film entstand erst später.

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