Basel Endstation Basel

Michael Werndorff
Die Bundespolizei zeigt verstärkt Präsenz. Foto: Michael Werndorff

Die Zahl unerlaubter Einreisen über Basel steigt stark an. Die Bundespolizei weist Migranten bereits auf Schweizer Territorium ab.

Die Tür des ICE schließt sich – für die beiden Bundespolizeibeamten Nico und Chris ist das der Startschuss: In Windeseile geht es durch den Zug, der nach einem Halt am Bahnhof SBB nur wenige Minuten bis zum Badischen Bahnhof braucht. Dort angekommen, geht es mit der Regio-S-Bahn zurück zum Ausgangspunkt, wo der nächste Fernzug Richtung Deutschland wartet. Der Auftrag: illegale Einreisen verhindern. Schnell werden Nico und Chris mit weiteren Kollegen fündig: Im ICE 70 nach Hamburg-Altona greifen die beiden einen unbegleiteten minderjährigen Ausländer (UMA) auf. Dessen Reise endet vorerst am Badischen Bahnhof.

Gemeinsames Abkommen

Doch der Reihe nach: In den Räumen des Lörracher Bundespolizeireviers in der Basler Straße bereiten sich die Beamten an einem Freitagmittag auf ihre Streife jenseits der Landesgrenze vor: Das Gemeinschaftsabfertigungsabkommen von 1961 erlaubt es, auf fremdem Hoheitsgebiet Maßnahmen durchführen zu können, erklärt Pressesprecherin Katharina Keßler im Gespräch mit unserer Zeitung.

Auch die Schweiz mache davon regen Gebrauch. „Die Zusammenarbeit mit unseren Schweizer Kollegen ist gut und vertrauensvoll.“ Dann kommt Keßler auf die sprunghaft gestiegene Zahl unerlaubter Einreisen zu sprechen.

Dynamische Lage

Das Migrationsgeschehen an der deutsch-schweizerischen Grenze sei anhaltend hoch und sehr dynamisch: So hat die Bundespolizeidirektion Stuttgart im vergangenen Jahr über die deutsch-schweizerische Grenze insgesamt 10 472 unerlaubt eingereiste Personen registriert – eine Zunahme um rund 317 Prozent, wie Keßler konkretisiert.

Alleine im Januar waren es schon 1410 (Vorjahreszeitraum 275) unerlaubte Einreisen von visumspflichtigen Drittstaatsangehörigen. Nicht nur die Zahl der Einreisen steigt – zugenommen haben auch Abweisungen: So hat sich nämlich die polizeiinterne Erfassung der Migranten vergangenen November geändert. Seither werden Personen, die noch auf Schweizer Hoheitsgebiet durch die Bundespolizei im Rahmen der Kontrollen festgestellt werden, nicht mehr wegen versuchter unerlaubter Einreise angezeigt, sondern nur abgewiesen. Laut Zahlenwerk kamen von November bis Januar 2023 noch einmal 3005 Abweisungen hinzu.

Auch über die französische Grenze kommen mehr illegal Einreisende nach Deutschland. Allerdings steigen die Zahlen hier nicht ansatzweise so stark. Waren es im Jahr 2021 insgesamt 4815 Fälle, so weist die Statistik für 2022 insgesamt 5576 rechtswidrige Einreisen aus.

Binnengrenzfahndung

Bei den Maßnahmen der Bundespolizei im Grenzraum zur Schweiz handele es sich um eine verstärkte Binnengrenzfahndung unterhalb der Schwelle der vorübergehenden Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen, die abhängig von Lageerkenntnissen auf allen relevanten Verkehrswegen in unterschiedlicher Intensität seit Monaten bis auf Weiteres durchgeführt werden, wie es seitens der Bundespolizeiinspektion Stuttgart auf Anfrage unserer Zeitung heißt. Hierzu werden auch Kräfte der Bundesbereitschaftspolizei eingesetzt, die die Beamten vor Ort unterstützen. Wie viele Bundespolizisten das genau sind, wollen die Behörden nicht konkretisieren.

Lücken öffnen sich

Hauptgrund für den Anstieg ist offenbar, dass die einst geschlossene Balkanroute immer mehr Lücken bekommt. Dabei nutzen derzeit viele Migranten Züge, um nach Deutschland zu gelangen. „Während wir vorher die Uhr nach den Nightjet-Zügen stellen konnten, hat sich die Lage mittlerweile geändert. Wir greifen jetzt zu allen Uhrzeiten Personen auf, und das auf allen Verkehrswegen“, erläutert Keßler. Der Großteil der Menschen komme aus Afghanistan, überwiegend seien es junge Männer, selten ganze Familien. Bis vor einiger Zeit sei Burundi stark vertreten gewesen, was die Sprecherin mit der Visapolitik Serbiens begründet.

Menschen werden erfasst

Zurück zum minderjährigen Ausländer, der alleine reisend im ICE aufgegriffen wurde und höchstwahrscheinlich aus Afghanistan stammt, wie die Sprecherin vermutet. Seine Reise endet an diesem Freitag vorerst am Badischen Bahnhof, wo die Bundespolizei Mitte Januar eine Bearbeitungsstraße zur Registrierung Geflüchteter eingerichtet hat. Diese funktioniert wie jene im ehemaligen Sanitätsdepot der Bundeswehr in Efringen-Kirchen: Zunächst werden die Menschen durchsucht, auch nach Dokumenten, und dann befragt. Es folgt die erkennungsdienstliche Behandlung, unter anderem werden Fingerabdrücke genommen und die Menschen fotografiert, erläutert Keßler.

Im Eingangsbereich der Bearbeitungsstraße bekommt der Junge, dem die Strapazen der Reise ins Gesicht geschrieben stehen, erst einmal ein warmes Getränk gereicht. Woher er kommt, ob er alleine reist und was sein Reiseziel ist – diese und weitere Fragen müssen die Beamten klären.

Kein Rechtsverstoß

Vor ihm ist noch ein junger Mann an der Reihe, dessen Fingerabdrücke abgenommen werden. Zunächst musste er seine Habseligkeiten in eine graue Plastikbox legen, die sich an einer Wand der umfunktionierten Lagerhalle stapeln. „Die Menschen sind in der Regel kooperativ. Selten leistet eine Person Widerstand, wenn diese merkt, noch nicht in Deutschland angekommen zu sein“, berichtet Keßler. Jene, die es über die Grenze schaffen, zeigten Dankbarkeit. „Oft sehe ich auch sehr große Erleichterung.“ Wer im Badischen Bahnhof registriert wird, hat es nicht nach Deutschland geschafft. Nach dem Prozedere auf eidgenössischem Hoheitsgebiet erfolgt grundsätzlich die Abweisung – auch bei Äußerung eines Asylgesuchs. Jedoch: „Wir haben kein Recht sie festzuhalten und müssen sie laufenlassen.“ Es liege bei der versuchten unerlaubten Einreise auch kein Verstoß gegen das deutsche Aufenthaltsrecht vor. Verantwortlich seien dann die Schweizer Behörden, die über das weitere Vorgehen befinden und den Flüchtling dem Asylzentrum Bässlergut zuleiten können.

Erneute Einreiseversuche

Es könne aber auch vorkommen, dass die Bundespolizisten oder die Schweizer Kollegen am selben Tag einen abgewiesenen Flüchtling bei einem erneuten Einreiseversuch oder auf deutschem Boden aufgreifen. „Wenn festgestellt wird, dass jemand zuvor bereits in die Schweiz abgewiesen wurde, prüfen wir eine Zurückschiebung, die, wenn möglich, auch durchgeführt wird“, so Keßler. Äußere eine Person auf deutschem Hoheitsgebiet ein Asylgesuch, erfolge indes die Weiterleitung an die Landeserstaufnahmestelle. Die weitere Prüfung und Durchführung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen, wie es im Beamtendeutsch heißt, liegt dann in der Zuständigkeit des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Für den Jungen aus Afghanistan sind nach der Registrierung die Schweizer Behörden verantwortlich, denen er überstellt wird – er wird an diesem Tag nicht der Letzte sein.

Umfrage

Heizung

Der Ausbau des Fernwärmenetzes im Landkreis Lörrach nimmt Fahrt auf. Würden Sie, falls möglich, Ihr Haus an das Netz anschließen lassen?

Ergebnis anzeigen
loading