Basel Fast vergessene Grenzgeschichten

Alexandra Günzschel

Themenabend: Dokumentarfilm und Podiumsdiskussion über eine besondere Gedenkstätte in Riehen

„Johannes und seine Gedenkstätte“ heißt der Dokumentarfilm von Susanne Scheiner. Über viele Jahre hinweg hat die Zürcher Filmemacherin den Pfarrer und Unternehmensberater Johannes Czwalina begleitet. Seine Gedenkstätte im alten Bahnwärterhäuschen in Riehen erinnert seit dem Jahr 2011 an jüdischen Flüchtlinge, die zwischen 1933 und 1945 an den Schweizer Grenzen abgewiesen wurden.

Von Alexandra Günzschel

Basel. Zahlreiche Besucher waren am Dienstag zur Uraufführung ins Basler Zwinglihaus gekommen. Peter Bollag, jüdischer Projektleiter des Forums für Zeitfragen und christlich-jüdische Projekte, führte durch den Abend, der nach der Doku noch eine Podiumsdiskussion bereithielt.

Die Gedenkstätte beim Bahnübergang an der Inzlingerstraße wird inzwischen von vielen Menschen besucht. Auch zahlreiche Vorträge haben dort stattgefunden. Die Doku zeigt Ausschnitte aus den Gedenkreden, die dort gehalten wurden. Scheiner hat darauf geachtet, dass die Schweiz und ihre Flüchtlingspolitik dabei im Fokus steht.

Am Anfang stand eine Traurigkeit

Dieser Teil der Schweizer Geschichte sei noch nicht einmal tabuisiert worden. „Er war schlicht kein Thema“, hört man den Historiker Georg Kreis gleich zu Beginn der Doku sagen.

Czwalina wollte das nicht hinnehmen. Der Gründer der Gedenkstätte wuchs in Berlin in einem Haus auf, in dem zuvor die jüdische Familie Belgard gewohnt hatte, wie im Film anhand der Stolpersteine zu erkennen ist, die dort mittlerweile an das Unrecht erinnern. Seine spätere Unternehmensberatung befand sich gegenüber der heutigen Gedenkstätte zwischen dem Bahnübergang in Riehen und einem beliebten Fluchtweg während des Nationalsozialismus durch den Wald über die grüne Grenze bei der „Eisernen Hand“.

Czwalina spricht im Film von einer tiefen Traurigkeit, die er auch als Botschaft verstanden habe. Um seinen Frieden zu finden, wurde er schließlich tätig. Er verkaufte sogar seine Eigentumswohnung, um die Gedenkstätte zu errichten.

Dies wiederum hat die Filmemacherin sehr berührt und gab den Anstoß zu der bewegenden Doku, die auch durch Zeitzeugenberichte ermessen lässt, wie groß das Leid an den Grenzübergängen gewesen sein muss. Scheiner findet es wichtig, dass es einen solchen Ort des Gedenkens gibt, wie sie auf dem Podium ausführte.

„Es braucht diese Gedenkstätte und noch weitere“, betonte Czwalina. Dies macht er insbesondere an den vielen jungen Menschen, auch Schulklassen, fest, die bereits in Riehen zu Gast waren. Er ist froh, dass sich mittlerweile eine Stiftung gegründet hat, die den Fortbestand auch in Zukunft sichern soll. Eine staatliche Beteiligung gibt es bisher nicht.

Nach dieser Möglichkeit wurde denn auch Christine Kaufmann, Gemeindepräsidentin von Riehen, gefragt. Sie verwies darauf, dass sich die Gemeinde bereits seit Jahrzehnten mit dem Thema auseinandersetzt und dabei mitunter auch andere Ansätze verfolgt. Bisher sei aber auch kein entsprechender Antrag gestellt worden, schloss sie eine Förderung zumindest nicht per se aus.

Fabienne Meyer, Historikerin und Spezialistin für Gedenkstätten in der Schweiz, sprach von den Plänen, in Bern ein offizielles staatliches Memorial für die Opfer des Nationalsozialismus zu errichten. Aber auch die vielen regionalen Gedenkstätten seien sehr wertvoll und oftmals an historische Orte gebunden, betonte sie.

Kooperation mit Zentrum für jüdische Studien

Kürzlich wurde bekannt, dass die Riehener Gedenkstätte und das Zentrum für Jüdische Studien als universitärer Betrieb in Zukunft zusammenarbeiten wollen. Dies wurde von Erik Petry, stellvertretender Leiter Zentrum für Jüdische Studien, und Czwalina als Leiter der Gedenkstätte bei der Podiumsdiskussion noch einmal bekräftigt.

Selbstverständlich ist diese Zusammenarbeit nicht. Vor einigen Jahren hatte Petry diese noch abgelehnt, wie aus der Doku hervorging. Doch nun wurde ihm von Czwalina die akademische Leitung angeboten. „Das ist ein Wort“, fand Petry, der sich für die Zukunft ein ganzes Netzwerk lokaler Ausstellungen vorstellt. Die Forschung zum Thema soll jedenfalls weiter vorangetrieben werden.

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