Basel Gegenwind fürs Herzstück

Michael Werndorff

Bahninfrastruktur: Verkehrsplaner stellt Nutzen der geplanten unterirdischen Durchmesserlinie in Frage

Basel - Ein Tunnel zwischen dem Badischen Bahnhof in Basel und Bahnhof SBB soll Herzstück eines zukunftsfähigen S-Bahn-Systems in der Stadt am Rheinknie werden. Nach dem "Ja" des Schweizer Bundes zu einem 100 Millionen Franken schweren Planungskredit ist die Zuversicht bei den Verantwortlichen groß. Eine nun veröffentlichte Studie stellt den Nutzen des Großprojekts aber in Frage.

Der Verkehrsplaner Philipp Morf ist mit den Schweizer Bahnhöfen, Strecken und Fahrplänen bestens vertraut. Am prestigeträchtigen und milliardenteuren Großprojekt „Herzstück“ lässt er im Rahmen einer Studie kein gutes Haar, wie die „Schweiz am Wochenende“ jetzt berichtete.

Verkehrsplaner lässt kein gutes Haar am Herzstück

Die Diskussion um Ausbaupläne in Basel und der Region Nordwestschweiz seien nach seiner Sicht zu stark infrastruktur- und zu wenig angebotsgetrieben, erklärt der Verkehrsplaner, der zwei Hauptkritikpunkte thematisiert. Da wäre die durch den Tunnel gewonnene Fahrzeitverkürzung: Meist sei diese unterirdische Verbindung nicht die beste Lösung, um von A nach B zu gelangen, sagt er und verweist auf die Basler Tram. Wer zum Beispiel von der Markthalle nach Kleinbasel will, würde wohl eher die Tram nutzen und nicht am Bahnhof SBB in die Regio-S-Bahn steigen.

Und: Mit einer Entflechtung des Tramnetzes und einer S-Bahn, die von Rheinfelden oder Liestal über Pratteln direkt an den Badischen Bahnhof fährt, könnte ein Großteil der angestrebten Verbindungen erreicht werden, meint Morf.

Keine Fahrzeitverkürzung

Als ein weiteres Beispiel führt Morf die Strecke Liestal – Badischer Bahnhof an. Hier rechnet er eine Fahrzeit von 30 Minuten mit Herzstück vor. Indes könnte die Strecke in 18 Minuten zurückgelegt werden, und zwar über die bereits vorhandene Trasse, die heute Güterzüge nutzen, macht der Planer deutlich. „Warum also warten auf eine Verbindung, wenn sie dann nicht einmal schneller wird?“, fragt Morf kritisch. Das Argument der Herzstück-Befürworter, wonach Basel mit dem Tunnel schneller durchquert werden könnte, hält er nicht für bestechend.

Weiter zeigt der Zürcher Verkehrsplaner auf, dass das Potenzial der Elsässerbahn nur unzureichend genutzt werde. Die S-Bahnen könnten im 15-Minuten-Takt via Bahnhof SBB hinaus nach Basel St. Johann und später einmal zum EuroAirport (EAP) und in das Elsass verkehren.

Außerdem könnte der Bahnhof St. Johann mit neuen Bus- und Tramlinien zu einer Mobilitätsdrehscheibe aufgewertet werden. „So wird es für Pendler einfacher, zu den Arbeitsplätzen der Pharmabranche zu gelangen“, ist Morf überzeugt.

Ausbau ist sinnvoll

Zweite Hauptkritik: Das Herzstück hänge die Allschwiler ab, verweist er auf die geplanten S-Bahnhöfe Morgartenring und Solitude bei Roche, die von der Linie EAP – Basel SBB – Basel Badischer Bahnhof – Freiburg nur im 30-Minuten-Takt bedient werden könnten. Vor dem Hintergrund, dass die Gemeinde Allschwil an die Haltestelle Morgartenring grenzt, sei dies unzureichend, moniert Morf.

Die Kritik lassen die Verantwortlichen nicht unbeantwortet. Thomas Hohl von der Abteilung des öffentlichen Personennahverkehrs des Kantons Baselland hebt trotz der geplanten neuen Haltestellen „Mitte“ und „Klybeck“ den Reisezeitgewinn hervor.

Innenstadt mit Trams überlastet

Darüber hinaus seien teure Ausbauten nötig, will man das angestrebte S-Bahn-Angebot mit den heutigen System erreichen. Auch hätten Modellrechnungen gezeigt, dass die Erschließung der Basler Innenstadt sinnvoll sei, wird Hohl in der „Schweiz am Wochenende“ zitiert. Wie Morf kommt auch Hohl zum Schluss, dass die Innenstadt mit Trams überlastet ist. Das Herzstück würde aber dort Kapazitäten schaffen, wo Bus und Tram heute ausgelastet seien. Mit den Kopfbahnhöfen sei dies nicht realisierbar, ist er überzeugt. Und was Allschwil angeht: „Die Haltestelle Morgartenring wird für die Allschwiler einen deutlichen Mehrnutzen bringen“, erklärt Hohl.

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