Basel Getanzter Bilderbogen des Begehrens

Die Oberbadische
Szene aus „Tod in Venedig“ Foto: zVg/Werner Tschan Foto: Die Oberbadische

Ballett: „Tod in Venedig“ von Richard Wherlock am Theater Basel

Von Jürgen Scharf

Basel. Kamera und Stativ sind immer griffbereit: Gustav von Aschenbach ist in diesem Ballett von Richard Wherlock ein Meisterfotograf. Der Basler Ballettchef hat Thomas Manns Novelle „Tod in Venedig“ mit den Mitteln der Choreographie interpretiert – als Künstlerroman.

Entsprechend ist seine Hauptfigur, die bei Mann noch Schriftsteller, im Film von Luchino Visconti Komponist und in der Ballettversion John Neumeiers Choreograph war, ein alternder Starfotograf in der Midlife-Krise. Zur Ablenkung und Anregung reist Aschenbach nach Venedig und begegnet dort einem schönen Jüngling – Tadzio.

Damit beginnt in Wherlocks Adaption für das Basler Ballett ein plastisch getanzter Bilderbogen des Begehrens. Bei Wherlock steht nicht die Frage der männlichen Sexualität im Vordergrund, sondern der Künstler in der Sinnkrise: ein erschöpftes Genie, überdrüssig, nur noch Models und den schönen Schein zu fotografieren.

Diese künstlerische Lebenskrise versucht der Tanz durch Bewegung und Musik erlebbar zu machen. Den Jüngling Tadzio stellt man sich, nach der Beschreibung Manns, allerdings eher so vor, wie ihn Neumeier als halbnackten Jüngling mit roter Badehose einführte. Anthony Ramiandrisoa, ein von Statur her muskulöser Tänzer, strahlt dagegen Kraft, Stärke und Potenz aus. Javier Rodriguez Cobos tanzt den Aschenbach mit großer Bravour zwischen Begierde und Entsagung. Wie er sich die Familie des Jünglings imaginiert und die Personen um Tadzios Mutter (Ayako Nakano) als lebendige Skulpturen zum Fotoshooting arrangiert, gelingt tänzerisch sehr bildhaft.

Aschenbach wird von einer fiktiven Figur, einem „metaphysischen Wesen“ (Wherlock), dem Schatten verfolgt. „Der Fremde“ ist Weg- und Reisebegleiter, Helfer, Beschützer, guter Geist, Schutzengel und zugleich Todesbote. Frank Fannar Pedersen, dieser bekannte Solist mit geschmeidiger Wendigkeit, fast zu großgewachsen für Ballett – er überragt alle um Kopflänge –, dominiert allein durch seine Körpergröße. Als geheimnisvoller Doppelgänger bremst er die hysterische Zuneigung Aschenbachs nach dem jungen männlichen Körper Tadzios und lässt sinnliche Berührungen nicht zu.

Wherlock zeigt ein paar elegische Pas de deux zwischen Aschenbach und seinem Alter Ego, und erotischer aufgeladene Szenen zwischen ihm und Tadzio, ansonsten überwiegt ästhetisch sein typischer Tanzstil dynamischer Bewegungen. Aufgeheitert wird das lebensmüde Ballett durch komödiantische Einlagen, wenn der Hotelmanager (Piran Scott) zu jazziger Filmmusik die Hotelboys antanzen lässt – vielleicht etwas viel Pagenballett.

Eine Wellenkulisse und Videoprojektionen von Wasserspiegelungen venezianischer Palazzi in Kanälen und verführerischer Erdbeeren versinnbildlichen die Handlung und die Achterbahnfahrt des Helden durch Venedig. Wenn Aschenbach am Lido den Liebestod stirbt, erwartet man das berühmte Adagio aus Mahlers fünfter Sinfonie, doch das wird vom Sinfonieorchester Basel nicht gespielt, sondern der nicht minder passende langsame Satz aus Schostakowitschs zweitem Klavierkonzert. Da steht der Lebensmüde aber schon sprungbereit auf dem Steg und blickt in die Fluten... Jürgen Scharf   Weitere Aufführungen am 11., 13., 20. und 23. Juni

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