Basel In der Ehe-Hölle

Die Oberbadische
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Theater: „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ bei Förnbacher in Basel

Von Jürgen Scharf

Basel. Sie küssten und sie schlugen sich: Auf der Bühne liefern sich Kristina Nel und Matthias Klausener einen gnadenlosen Geschlechterkampf. Szenen einer Ehe ist ein zu harmloser Begriff, es ist ein Ehekrieg bis aufs Messer. Die beiden sind in einer Paar-Hölle gelandet.

Das Beziehungsdrama „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ des US-amerikanischen Dramatikers Edward Albee – seit der Verfilmung mit Elizabeth Taylor und Richard Burton ein echter Zimmerschlachten-Klassiker, der alle späteren boulevardesken Ehetragödien in die Tasche steckt –, zeigt das Förnbacher Theater in einer überzeugenden, starken Neuproduktion.

Das große Thema dieses unglaublichen, ja zeitlosen Stücks der Moderne sind Lebenslügen, Desillusionierung, Selbstentblößung: alles, was ein Eheleben an Abgründen, Hass und psychischer Zerfleischung bieten kann. Bitterböse Spiele passieren im Haus des Akademikerpaars Martha und George. Der Zuschauer in der Theaterhalle im Badischen Bahnhof wird Zeuge eines unverschämten, beißend witzigen Schauspiels.

Martha und George kommen gerade von einer Party, die Marthas Vater, der Rektor des Colleges, geschmissen hat, und trinken zu Hause hemmungslos weiter. Der Bourbon fließt in Strömen. Ein junges Akademikerpaar ist dazu eingeladen, ganz ahnungslos, in welche Ehekrise es da gerät. Bitterböse Gesellschaftsspiele werden gespielt, bei denen sich die beiden Paare kennenlernen. Doch Martha bricht die Spielregeln, als sie über ihren „Sohn“ redet, das geht George zu weit. Denn sie haben gar keinen Sohn, seine Frau imaginiert seit über 20 Jahren diesen Fantasie-Sohn, ein (Wunsch)-Kind. Es wird langsam Zeit, sich einzugestehen, dass sie sich das nur vorgemacht hat. Die Beziehungstragödie schaukelt sich immer weiter hoch, bis das Spiel aus ist.

Nicht zu beneiden sind die beiden Hauptdarsteller. George geht Martha an die Gurgel, weil er von ihr gnadenlos heruntergeputzt, provoziert und vorgeführt wird. Nennt sie ihn doch eine Null, ein Niemand, einen Versager. Vor den Gästen kommt es zu einem ungehemmten, skrupellosen Schlagabtausch, bei dem man Kristina Nel und Matthias Klausener für ihr furioses, grandioses Spiel nur bewundern kann.

Die Regie hilft ihnen aber auch gut über die Runden. Helmut Förnbacher hat die Personenführung psychologisch fein austariert. Seine Darsteller wechseln zwischen einer roten Sofalandschaft und einer ellenlangen Cocktailbar mit einer Armada von Spirituosen. Im Laufe des Abend wird eine Flasche nach der anderen geleert, bis zur bitteren Neige, bis zum bitteren Ende. Drastisch gespielt ist dieser Alkoholkonsum, vor allem von Kristina Nel als Martha, die einen Drink nach dem anderen kippt und immer enthemmter wird.

Die beiden Gäste, Falk Döhler als junger Akademiker Nick und Noemi Schaerer als seine Frau Honey, die lange nicht wissen, was hier gespielt wird, werden immer stärker hineingezogen in diese perfide Abrechnung, reagieren zuerst genervt, entlarven dann selber zwischenmenschliche Probleme: ein intimes, emotional entblößendes Spiel der Selbstentäußerung.

Aber Nel und Klausener sind doch die Spielmacher des Abends: sie genial böse, er ein desillusionierter Zyniker, ironisch und süffisant. Beide laufen zu Hochform auf, verausgaben sich total, wenn sie aufeinander losgehen und sich giftige Gemeinheiten an den Kopf werfen. Sie haben Krieg, totalen Krieg.

In Förnbachers Inszenierung spielen die vier Darsteller diese ungeheure Spannung zwischen Liebe und Hass, Erotik und Ekel voll aus. Das muss man gesehen haben. Das ist bestes Schauspieler-Theater!   Termine: 18., 20., 30. Oktober, 19.30 Uhr, So 18 Uhr

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