Basel In drei Fragen uneins

Michael Werndorff
 Foto: Fotos: Archiv/Kanton Basel-Stadt

Rahmenabkommen: EU-Botschafter kritisiert „Rosinenpickerei“ der Schweiz / CH-Außenminister moniert „Druckpolitik“

Basel - Nach dem Scheitern der Verhandlungen zu einem Rahmenabkommen könnten die Gräben zwischen der Europäischen Union und der Schweiz kaum tiefer sein. Während Petros Mavromichalis, EU-Botschafter in der Schweiz, am Sommeranlass von Metrobasel von Rosinenpickerei sprach, warf der Schweizer Außenminister Ignazio Cassis der EU eine unwürdige Druckpolitik vor.

Wie soll es nach dem einseitigen Verhandlungsabbruch der Schweiz in der bilateralen Zusammenarbeit weitergehen? Dieser Frage widmete sich am Mittwochabend der traditionelle Sommeranlass von Metrobasel, zu dem sich neben Cassis und Mavromichalis auch Vertreter der lokalen Politik und Wirtschaft im Basler Großratssaal eingefunden hatten.

Der Anlass war gut besucht, schließlich sind dem Grenzkanton stabile und gesicherte Beziehungen zur EU wichtig. Dementsprechend groß war hier die Enttäuschung, als der Schweizer Bundesrat am 26. Mai den Beschluss fasste, das Rahmenabkommen angesichts ungelöster Differenzen nicht zu unterzeichnen.

Drei Knackpunkte

Gestritten wurde über die Unionsbürgerrichtlinie. Diese ist in der Schweiz hoch umstritten, weil sie die Sozialhilfeansprüche und das Aufenthaltsrecht von EU-Bürgern verbessern sowie deren Ausweisung erschweren würde. Und dass die EU die flankierenden Maßnahmen zur Bekämpfung von Schwarzarbeit als unvereinbar mit dem EU-Binnenmarkt erklärte, wollte die Alpenrepublik auch nicht akzeptieren. Staatliche Beihilfen waren der dritte Knackpunkt, der letztlich zum Scheitern führte.

Der Basler Wirtschaftsdirektor Kaspar Sutter erinnerte an die 34 000 Menschen, die täglich die Grenzen überqueren, um hier zu arbeiten. Insgesamt würden Waren im Wert von 33 Milliarden Franken von Basel in die EU exportiert. „Das zeigt, wie wichtig eine stabile Beziehung zur EU ist.“

Daher brauche es neben den Bilateralen eine institutionelle Einbindung in die Europäische Union. Auf eine langfristige Teilhabe am EU-Binnenmarkt könne jedenfalls nicht verzichtet werden.

Der Entscheid, die Verhandlungen abzubrechen, habe in den EU-Mitgliedsstaaten Bedauern und großes Unverständnis ausgelöst, betonte der Botschafter. „Das Rahmenabkommen war das wichtigste gemeinsame Projekt der EU und der Schweiz.“ Es sollte die Modernisierung der Marktzugangsabkommen garantieren und damit die Zukunft des bilateralen Weges sichern.

Der Spitzen-Diplomat machte sodann die Haltung der EU deutlich: Diese sei während der Verhandlungsphase vielen Schweizer Wünschen entgegengekommen. „Aus unserer Sicht war eine Einigung in Reichweite.“

Rosinenpickerei gehe aber nicht. „Wir zwingen ja niemanden, an unserem Binnenmarkt teilzunehmen.“ Wolle die Schweiz teilnehmen, müsse sie sich an die Spielregeln halten. Mavromichalis’ Botschaft lautete: Ohne Lösung der institutionellen Fragen werde die Weiterführung des bilateralen Weges in der jetzigen Form nicht möglich sein. „Es wird zunehmende Schwierigkeiten beim Marktzugang geben.“ Es gebe nur drei Varianten. Den Beitritt der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum, den EU-Beitritt oder ein institutionelles Rahmenabkommen.

Cassis rügt EU

Cassis rügte derweil den Botschafter stellvertretend für die gesamte EU. „Das ist Druckpolitik und unwürdig, Herr Botschafter.“ Er zeigte sich aber auch selbstkritisch. Man hätte früher ahnen können, dass ein Durchbruch in den Verhandlungen unwahrscheinlich sei. Insbesondere bei der Unionsbürgerrichtlinie seien Welten aufeinandergeprallt.

Gleichwohl sei die Schweiz an einer Normalisierung der Beziehungen interessiert. „Der Entscheid gegen das Abkommen in seiner Entwurfsfassung, war ein Nein zum Weg, nicht jedoch zum Ziel.“ Die EU bleibe der mit Abstand wichtigste Handelspartner der Schweiz, betonte Cassis, der das Vorgehen des Bundesrats verteidigte. Denn ein Nein in einer Volksabstimmung hätte die Beziehungen zur EU stärker belastet als der jetzt beschlossene Verhandlungsabbruch.

Mit im Gepäck hatte der Außenminister einen Drei-Stufen-Plan zur Normalisierung der Beziehungen. Dieser blieb relativ vage, klar ist aber, dass die Eidgenossenschaft einen strukturierten politischen Dialog mit Brüssel aufgleisen will.

Gefahr für Standort

Während Politik und Diplomatie nun in einem langwierigen Prozess nach Lösungen ringen werden, ist die Wirtschaft gefordert, schnell auf die neuen Rahmenbedingungen zu reagieren, wie im Rahmen der Podiumsdiskussion mit Wirtschaftsvertretern deutlich wurde. Große Unternehmen wie Novartis seien in der Lage, sich dynamisch an die jeweilige Situation anzupassen, der Wirtschaftsstandort Schweiz könne aber an Attraktivität verlieren. „Aber ob der Werkplatz Schweiz erhalten bleibt, ist eine zentrale Frage“, betonte Christoph Mäder, Präsident von Economiesuisse.

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