Der Spitzen-Diplomat machte sodann die Haltung der EU deutlich: Diese sei während der Verhandlungsphase vielen Schweizer Wünschen entgegengekommen. „Aus unserer Sicht war eine Einigung in Reichweite.“
Rosinenpickerei gehe aber nicht. „Wir zwingen ja niemanden, an unserem Binnenmarkt teilzunehmen.“ Wolle die Schweiz teilnehmen, müsse sie sich an die Spielregeln halten. Mavromichalis’ Botschaft lautete: Ohne Lösung der institutionellen Fragen werde die Weiterführung des bilateralen Weges in der jetzigen Form nicht möglich sein. „Es wird zunehmende Schwierigkeiten beim Marktzugang geben.“ Es gebe nur drei Varianten. Den Beitritt der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum, den EU-Beitritt oder ein institutionelles Rahmenabkommen.
Cassis rügt EU
Cassis rügte derweil den Botschafter stellvertretend für die gesamte EU. „Das ist Druckpolitik und unwürdig, Herr Botschafter.“ Er zeigte sich aber auch selbstkritisch. Man hätte früher ahnen können, dass ein Durchbruch in den Verhandlungen unwahrscheinlich sei. Insbesondere bei der Unionsbürgerrichtlinie seien Welten aufeinandergeprallt.
Gleichwohl sei die Schweiz an einer Normalisierung der Beziehungen interessiert. „Der Entscheid gegen das Abkommen in seiner Entwurfsfassung, war ein Nein zum Weg, nicht jedoch zum Ziel.“ Die EU bleibe der mit Abstand wichtigste Handelspartner der Schweiz, betonte Cassis, der das Vorgehen des Bundesrats verteidigte. Denn ein Nein in einer Volksabstimmung hätte die Beziehungen zur EU stärker belastet als der jetzt beschlossene Verhandlungsabbruch.
Mit im Gepäck hatte der Außenminister einen Drei-Stufen-Plan zur Normalisierung der Beziehungen. Dieser blieb relativ vage, klar ist aber, dass die Eidgenossenschaft einen strukturierten politischen Dialog mit Brüssel aufgleisen will.
Gefahr für Standort
Während Politik und Diplomatie nun in einem langwierigen Prozess nach Lösungen ringen werden, ist die Wirtschaft gefordert, schnell auf die neuen Rahmenbedingungen zu reagieren, wie im Rahmen der Podiumsdiskussion mit Wirtschaftsvertretern deutlich wurde. Große Unternehmen wie Novartis seien in der Lage, sich dynamisch an die jeweilige Situation anzupassen, der Wirtschaftsstandort Schweiz könne aber an Attraktivität verlieren. „Aber ob der Werkplatz Schweiz erhalten bleibt, ist eine zentrale Frage“, betonte Christoph Mäder, Präsident von Economiesuisse.