Basel In erbarmungsloser Konsequenz

Die Oberbadische
Schauspieler André Jung Foto: zVg/Steffi Henn Foto: Die Oberbadische

„Wintergäste“: Auftakt der szenischen Lesereihe mit Philip Roths Kurzroman „Die Demütigung“

Lörrach/Basel (bd). Die Reihe „Wintergäste reloaded“ – in diesem Jahr zum Thema „Das andere Amerika“ – startete am Sonntag mit der szenischen Lesung aus Philip Roths Kurzroman „Die Demütigung“ als Matinee im Lörracher Werkraum Schöpflin und am Nachmittag in der Druckereihalle des Basler Ackermannshofs.

„Er hatte seinen Zauber verloren“, mit diesem ersten Satz beginnt Philip Roth. Dieser Satz war auch der Ausgangspunkt des Autors für seine Geschichte: Genau dies widerfahre ihm nämlich regelmäßig zwischen zwei Büchern, wenn er nach einer Idee suche und ihn eine unterschwellige Panik überfalle, bis die Inspiration in einem für ihn nicht erklärlichen Prozess eintrete, wie er in einem Interview (für „The Daily Beast“) erklärte.

Der Roman erzählt die Geschichte des alternden Schauspielers Simon Axler, dessen Gabe zu spielen sich in Luft aufgelöst hat – in dünne Luft. Er lässt sich in eine psychiatrische Klinik einweisen. Dort lernt er eine Patientin kennen, die miterleben musste, wie ihr Mann ihre kleine Tochter missbrauchte. Nach Hause zurückgekehrt lehnt Axler ein Angebot seines Agenten, aus Angst zu scheitern, ab.

Er verliebt sich in Pegeen, die 25 Jahre jünger ist, offen lesbisch lebt und eine heterosexuelle Beziehung ausprobieren möchte. In dieser Liebe gewinnt Axler wieder Freude am Leben, träumt von einem gemeinsamen Kind und seiner Rückkehr auf die Bühne. Als Pegeen ihn schließlich verlässt, erweist sich seine Verwandlung als Illusion, er bricht erneut zusammen und erschießt sich.

Marion Schmidt-Kumke, die als leitende Dramaturgin für die Wintergäste fünf Lesungen realisiert, hat sensibel und mit großer Erfahrung die wesentlichen Erzählstränge des Romans erfasst und für den herausragenden André Jung eingerichtet. Der Schauspieler ist Simon Axler im wahrsten Sinne. Er erschafft mit seiner Darstellung eine so große Authentizität, dass sein Körper hin und wieder schneller zu sein scheint als die Sprache – die (wenigen) Versprecher verdeutlichen, wie intensiv er die Geschichte Axlers auf der Bühne lebt. Seine Spielfreude, die in der zweiten Vorstellung des Tages noch stärker zum Vorschein kommt, zieht die sehr zahlreichen Gäste in ihren Bann, wenn die Erzählung mit unbarmherziger Härte auf ihr Ende zielt.

Altern und Sterben, Selbsttäuschung und neurotische Männlichkeit – bis hin zu qualvollen sexuellen Fantasien eines alternden Mannes werden von Roth, Schmidt-Kumke und Jung in erbarmungsloser Konsequenz vorgeführt. Am Ende scheint der Schauspieler noch ein letztes Mal zu triumphieren, wenn es Simon Axler nur in der Rolle des Konstantin Gawrilowitsch Trepljow aus Tschechows „Die Möwe“ gelingt, sich tatsächlich umzubringen.

Ein fulminanter Auftakt der Wintergäste-Spielzeit, der neugierig auf Don DeLillo, George Saunders, Toni Morrison, Emma Cline – und am nächsten Sonntag auf Arthur Miller macht.  Der nächste „Wintergäste“-Termin: Arthur Miller „Tod eines Handlungsreisenden“ am Sonntag, 14. Januar, 11 Uhr in der Reithalle Wenkenhof in Riehen sowie um 16.30 Uhr im Werkraum Schöpflin in Lörrach-Brombach. Reservierung: Tel. 07621/9142660 oder per Mail ticket@werkraum-schoepflin.de

Umfrage

Bettina Stark-Watzinger

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat sich für Zivilschutzübungen an Schulen ausgesprochen. Damit sollen Schüler besser auf den Kriegsfall, Pandemien und Naturkatastrophen vorbereitet werden. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading