Basel Inklusion ist bereichernd, macht aber Mühe

Die Oberbadische
Das Nebeneinander von Schülern mit und ohne Behinderung stellt die Lehrer vor neue Herausforderungen. Foto: Archiv Foto: Die Oberbadische

Bildung: Im heimischen Kreis haben 730 Schüler Anspruch auf sonderpädagogische Förderung / Lehrermangel wirkt sich aus

Insgesamt 730 Kinder im Landkreis Lörrach haben Anspruch auf eine sonderpädagogische Förderung. Bei der Inklusion an Schulen, also dem gemeinsame Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung, gibt es aber nach Meinung des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) noch Nachholbedarf.

Von Adrian Steineck

Kreis Lörrach. Josef Klein vom VBE im Schulbezirk Lörrach-Waldshut hat eine klare Meinung zum Vorgehen des Landes. „Bisher ist es so, dass es bei fünf gleichaltrigen Kindern mit Anspruch auf eine sonderpädagogische Förderung eine Außenklasse, also eine an eine allgemeine Schule ausgelagerte Sonderschulklasse, gibt“, fasst er die Situation im Gespräch mit unserer Zeitung zusammen. „Das ist aber keine Inklusion, sondern höchstens eine Integration.“

Seitdem der Landtag von Baden-Württemberg am 15. Juli 2015 die Änderung des Schulgesetzes zur Inklusion verabschiedet hat, steht es Eltern von Kindern mit einem Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot frei, ob sie ihr Kind an eine allgemeine Schule oder ein Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) schicken. Wahrgenommen werden beide Möglichkeiten, wie Hans-Joachim Friedemann, Leiter des Staatlichen Schulamts Lörrach, auf Anfrage unserer Zeitung mitteilt. So haben im Schulamtsbezirk Lörrach 1328 Schüler Anspruch auf eine sonderpädagogische Förderung, davon 730 im Landkreis Lörrach. 180 von ihnen besuchen eine allgemeine oder Regelschule, das heißt, sie werden gemeinsam mit Kindern ohne speziellen Förderungsbedarf unterrichtet.

Hier sieht die gesetzliche Regelung vor, dass neben der regulären zusätzlich eine sonderpädagogische Lehrkraft den Unterricht begleitet. „Aber wenn die Erstlehrkraft bereits fehlt, wird es schwierig“, meint der frühere VBE-Geschäftsführer im Schulbezirk Lörrach-Waldshut Klein.

Anja Hanke, die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wisschenschaft (GEW) Lörrach, kritisiert ebenfalls die mangelnde Versorgung mit sonderpädagogischen Lehrkräften. „Der Richtwert für die Begleitung eines Kindes mit Behinderung liegt bei zwei Stunden, in denen ein Sonderpädagoge den Regelunterricht begleitet“, sagt sie und macht klar: „Das ist eine Katastrophe, wir brauchen dringend mehr Sonderpädagogen.“ Sie moniert auch, dass das Land Baden-Württemberg zu spät mit der Umsetzung der Inklusion begonnen habe. „Die UN-Menschenrechtskommission macht sich seit dem Jahr 2009 für Inklusion stark, aber das Land hat erst sechs Jahre später mit der Umsetzung begonnen.“ Da sei es kein Wunder, dass Lehrer fehlten.

Auch Klein appelliert an das für die Ausbildung der Lehrer zuständige Wissenschaftsministerium. „Es ist leider so, dass Studenten auf Lehramt häufig keinen Studienplatz finden. Hier müssen zusätzliche Kapazitäten geschaffen werden.“

Diese Einschätzung will Schulamtsleiter Friedemann im Gespräch mit unserer Zeitung so nicht teilen. „Die Landesregierung hat viel getan in den vergangenen Jahren: Schrittweise Erhöhung der Studienplätze für Sonderpädagogik, Verankerung des Themas Inklusion in allen Lehramtsstudiengängen, Weiterqualifizierungsprogramme für Haupt- und Werkrealschullehrkräfte“. Bis die getroffenen Maßnahmen aber weiterhelfen würden, müsse noch ein Tal durchschritten werden. „Wir wissen aber, dass die Maßnahmen Entlastung bringen werden“, ist Friedemann überzeugt.

Ein weiteres „heißes Eisen“ ist die Integration von Kindern aus Flüchtlings- und Asylbewerberfamilien. Klein weiß aus Erfahrung, welche Herausforderungen für die Lehrkräfte diese mit sich bringt: Er hat ab Februar 2016 in Wehr eine Gruppe von Flüchtlingskindern unterrichtet. „Die Schüler haben arabisch, kurdisch, das in Afghanistan gebräuchliche Farsi und das in Pakistan übliche Urdu gesprochen.“ Mit 20 Unterrichtsstunden in der Woche aber habe Klein die jungen Leute in eineinhalb Jahren soweit gebracht, dass sie auf dem Schulfest eine Ansprache auf Deutsch halten konnten. „Hier hat eine Gesetzesänderung mir erlaubt, als Pensionär mehr als sieben Stunden in der Woche zu unterrichten“, erinnert er sich. Das sei auch notwendig, denn: „Mit sieben Stunden kommt man nicht arg weit.“

Dass es beim Unterricht in Vorbereitungsklassen für geflüchtete Kinder Personalbedarf gibt, ist Friedemann bewusst. „Wir gehen gezielt auf Pensionäre zu“, sagt er. Generell gelte laut Friedemann bei Inklusion wie Integration der Grundsatz: „Sie sind bereichernd, kosten allerdings Anstrengung.“

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