Basel Kippt das Verbot für den AKW-Neubau?

Michael Werndorff
Das 1984 in Betrieb genommene Kernkraftwerk Leibstadt ist das jüngste und mit 1275 Megawatt Leistung größte Atomkraftwerk der Schweiz. Foto: Michael Werndorff

Der Schweizer Bundesrat rüttelt am 2017 beschlossenen Verbot des Baus neuer Atomkraftwerke. Damit reagiert er auf die Volksinitiative „Blackout stoppen“ und den steigenden Strombedarf der Schweiz.

Deutschland hat sich bereits von der Atomkraft verabschiedet: Zum 15. April 2023 sind die drei letzten Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland abgeschaltet worden. Zentral für die Entscheidung für den Atomausstieg war der Sicherheitsaspekt.

Derweil sollen Schweizer AKW länger als geplant laufen – auch ein Neubau wird diskutiert, und zwar ausgerechnet dort, wo jetzt schon die meisten Reaktoren stehen – an der Grenze zu Deutschland. Dabei hatten die Eidgenossen vor sieben Jahren den Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen. Neue Reaktoren dürfen demnach nicht mehr gebaut werden. Nur die bestehenden Kraftwerke dürfen in Betrieb bleiben. Auch über Jahrzehnte, solange sie sicher sind. Bei seinem Bau war für das Atomkraftwerk Leibstadt eine Betriebszeit von 40 Jahren geplant. Das ist jetzt vier Jahrzehnte her. Das betagte Kraftwerk soll aber mindestens noch 20 Jahre weiterlaufen, weil die Schweiz die Laufzeit nicht begrenzt. Bernd Mücke, der stellvertretende Leiter des AKW Leibstadt, sprach dieser Tage in diesem Zusammenhang von Investitionen in Milliardenhöhe. Das Schweizer Anlage sei ihm zufolge auf dem neusten Stand der Technik.

Rückblick: Der Beschluss von 2017 war nicht der erste Versuch, der Atomkraft in der Schweiz ein Ende zu bereiten: Eine erste Anti-Atom-Initiative wurde im Februar 1979 an der Urne relativ knapp mit 51.2 Prozent Nein-Stimmen verworfen. Die Atominitiative II (keine weiteren AKW) im September 1984 konnte ebenfalls keine Mehrheit finden.

Tschernobyl führt zu Baustopp

Die Atomkatastrophe von Tschernobyl 1989 führte dann zu einem zehnjährigen AKW-Baustopp und einem geordneten Rückzug aus der Kernenergie. Sechs Jahre später folgte das Kernenergiegesetz, das die Option Kernkraft offenhielt und den Bau neuer AKW einem fakultativen Referendum unterstellte. Erst mit Fukushima sprach sich der Schweizer Bundesrat für einen längerfristigen Atomausstieg aus.

Doch nun kündigt sich ein Umdenken an: Die im Februar eingereichte Volksinitiative „Blackout stoppen“ verlangt nämlich eine Aufhebung des AKW-Bauverbots. Der Bundesrat zeigt sich einem dieser Tage getroffenen „Richtungsentscheid“ offen dafür, wie er mitteilte. „Das bestehende Neubauverbot für Kernkraftwerke ist mit dem Ziel der Technologieoffenheit nicht vereinbar und birgt darüber hinaus auch Risiken für den Rückbau bestehender Anlagen“, erklärte die Regierung zur Begründung ihres Kurswechsels. Zudem sei offen, ob der Ausbau der erneuerbaren Energien rasch genug erfolgen werde, um die wegfallenden Kapazitäten und den steigenden Strombedarf rechtzeitig decken zu können, schrieb der Bundesrat.

Er teile die Haltung des Initiativkomitees, dass Technologieoffenheit eine Voraussetzung darstelle, um den steigenden Strombedarf auch langfristig klimaschonend, sicher und zuverlässig decken zu können. Konkret will der Bundesrat einen indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative erarbeiten, also eine Änderung auf Gesetzesstufe.

Das Problem: Derzeit wird ein Drittel des Strombedarfs der Schweiz durch Kernkraft abgedeckt. Im Winter muss das Land Strom importieren. Daher sei die Schweiz auf Atomstrom angewiesen, erklären Verfechter der Kernkraft. Zudem hat laut Energie- und Umweltminister Albert Rösti auf dem Strommarkt in den vergangenen Jahren ein „Paradigmenwechsel“ stattgefunden.

Geopolitische Lage verändert sich

Vor sieben Jahren sei der komplette Ausstieg aus fossilen Brennstoffen noch kein Thema gewesen. Zudem habe sich die geopolitische Lage in Europa mit dem Krieg in der Ukraine „massiv verschärft“. Die Importmöglichkeiten seien seither eingeschränkt. Nicht zuletzt sei das Bevölkerungswachstum stärker als damals angenommen. Damit steige auch die Nachfrage nach Strom schneller. Zwar ist der Weg hin zu einem neuen AKW noch sehr weit und voller Hindernisse, doch schon jetzt beginnt eine Diskussion um mögliche Standorte. Tatsächlich haben sich zwei Gemeinden bereits in Stellung gebracht. Eine davon ist das aargauische Döttingen, das mit den beiden Beznau-Meilern die ältesten AKW der Schweiz beheimatet. Und auch der Gemeindeammann von Leibstadt bewirbt seine Gemeinde als möglichen Standort für einen Neubau.

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