Basel Kunst-Rettung oder verfemter Handel

Von Dominique Spirgi
Dieser Picasso galt den Nazis als „entartet“: La Famille Soler, 1903 Foto: Musée des Beaux-Arts – La Boverie, Lüttich

Provenienzforschung: Ausstellungen zu heiklen Ankäufen des Kunstmuseums Basel

Von Dominique Spirgi

Basel. Die Jahre der Naziherrschaft von 1933 bis 1945 gelten als heikle Epoche für den Kunsthandel. Das Kunstmuseum Basel arbeitet mit Ausstellungen zur „entarteten“ Kunst und Werken aus der Sammlung des Juden Curt Glaser zwei Ankaufs-Offensiven aus dieser Zeit auf.

Georg Schmidt (1896 bis 1965) war als Direktor des frisch bezogenen Basler Kunstmuseumsbaus voller Enthusiasmus, als er 1939 vernahm, dass die Nazis die als „entartet“ geächteten Werke aus den deutschen Museen aussortieren wollten. Er witterte die Chance, in Basel die Sammlung der Moderne auf einen respektablen Stand zu bringen, was ihm denn auch gelang.

Es sind Meisterwerke des deutschen Expressionismus, die das Museum damals mit einem Sonderkredit von 50 000 Franken ankaufen konnte: die berühmten „Tierschicksale“ von Franz Marc gehören dazu, „Die Windsbraut“ von Oskar Kokoschka oder der Rabbiner („La Prise“) von Marc Chagall.

21 Werke waren es, die 1939 nach Basel kamen. Acht wurden an der legendären und zugleich berüchtigten Auktion Fischer in Luzern erworben, der Rest gelangte durch direkte Vermittlung nach Basel.

Hilfreich dabei war unter anderem Hildebrand Gurlitt, der Vater von Cornelius Gurlitt, der dem Kunstmuseum Bern mit der Vererbung seiner Sammlung viel Arbeit beschert hat.

Aufarbeitung eines Fluchtkunst-Falls

Bereits 1933 hatte Schmidts Vorgänger Otto Fischer bei der Versteigerung einer deutschen Sammlung zugegriffen. Es handelte sich um 200 Zeichnungen und Druckgrafiken, die der von den Nazis vertriebene jüdische Kunsthistoriker Curt Glaser an einer Auktion in Berlin veräußerte. Der Zwang zur Veräußerung der Werke von deutschen Expressionisten, vor allem von Edvard Munch, war längere Zeit Gegenstand einer juristischen Auseinandersetzung zwischen Glasers Erben und dem Kanton Basel-Stadt als vermeintlich sauberer Besitzer der Werke.

2008 ließ die Basler Regierung die Erben noch abblitzen. 2017 gelang es diesen aber, die verschlossenen Türen zu öffnen, und 2020 kam es zu einer „gerechten und fairen“ Einigung, wie Kunstmuseumsdirektor Josef Helfenstein an der Medienpräsentation sagte.

Die Erben wurden finanziell in nicht kommunizierter Höhe entschädigt, so dass die Werke – darunter eine Pinsellithographie der „Madonna“ von Munch – in Basel bleiben konnten. Zudem wurde eine Ausstellung zum Schicksal des Sammlers vereinbart. Die verdrängten Erinnerungen an den Kunstfreund und Sammler sollen wieder an die Oberfläche treten.

Spannende Provenienzgeschichten

Entstanden sind zwei Ausstellungen, die nicht nur durch die gezeigte Auswahl bedeutender Werke der Moderne zu glänzen vermögen, sondern auch durch ihre spannenden Provenienzgeschichten. In beiden Fällen wurden die Werke aus der Basler Sammlung mit hochkarätigen Leihgaben ergänzt.

Bei der Ausstellung „Der Sammler Curt Glaser. Vom Verfechter der Moderne zum Verfolgten“ ( bis 12.2.23) ist dies unter anderem das berühmte Gemälde „Die großen blauen Pferde“ von Franz Marc vom Walker Art Center in Minneapolis. Oder Edvard Munchs Frühwerk „Musik auf der Karl Johan Straße“ aus dem Kunsthaus Zürich.

In der Ausstellung „Zerrissene Moderne. Die Basler Ankäufe ’entarteter’ Kunst“ (bis 19.2.23) lösen einige der Leihgaben Erstaunen aus: So ist schwer nachvollziehbar, warum die Nazis zum Beispiel Picassos Familienporträt „La famille Soler“ von 1903 als „entartet“ einschätzten. Dasselbe gilt für Paul Gauguins „Le sorcier d’Hiva Oa“ von 1902.

Kunstmuseum Basel an der Spitze

Das Basler Kunstmuseum stand mit 21 Werken einsam an der Spitze der Einkäufer. Schon damals wurde eine Diskussion entfacht, was schwerer wiege: die Rettung wichtiger Kunstwerke oder der verfemte Handel mit einem Unrechtsregime. Die Ausstellung wertet den Aspekt der Rettung als wichtig. Sie wirft entsprechend einen Blick auf Werke, die es nicht in ein ausländisches Museum schafften und als verschollen gelten. Einige von ihnen, die den Sprung nach Basel nicht schafften, werden als Schwarzweiß-Projektionen gezeigt.

Ein Werk am Schluss der Ausstellung hat einen besonderen Auftritt: Es handelt sich um die kleine kubistische Skulptur „Tänzerin“ von der Bildhauerin Marg Moll. 1937 galt sie als verschollen, tauchte 2010 auf einer U-Bahn-Baustelle in Berlin im Bombenschutt wieder auf.

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