Basel Lebendig-pulsierendes Themengeflecht

Gabriele Hauger

Rebecca Horns „Körperphantasien“ im Museum Tinguely.  Parallel-Ausstellung im Centre Pompidou Metz.

Basel - Rebecca Horn zählt zu den bekanntesten und gefragtesten Aktions-, Installations- und Filmkünstlerinnen Europas. Geboren im Odenwald, entschied sie sich gegen die Widerstände ihrer Eltern für die Kunst – und feierte darin früh Erfolge, wovon zahlreiche Ehrungen und wichtige Ausstellungen wie die mehrfache Teilnahme an der Documenta oder eine Retrospektive im Guggenheim Museum 1993 zeugen. Nun widmet ihr das Museum Tinguely in Basel die große Schau „Körperphantasien“– parallel dazu erkundet das Centre Pompidou in Metz unter dem Titel „Theater der Metamorphosen“ das Thema der Verwandlung unter animistischen, surrealistischen und mechanistischen Gesichtspunkten und beleuchtet besonders die Rolle des Films als Bühne von Rebecca Horns Skulpturen.

49 Arbeiten werden in Basel präsentiert, nehmen viel Raum ein, den sie auch brauchen, um atmen, um ihre Poesie und Wirkung entfalten zu können. Thematisch, nicht chronologisch, hat Kuratorin Sandra Reimann die Werke angeordnet, die fast wie eine Art Erzählung gelesen werden können und auf deren Ästhetik und Aussagekraft sich der Besucher einlassen sollte. Horns Arbeiten sind autobiografisch geprägt, orientieren sich an Körperlichkeit, an Gefühlen, loten Bewegungsmöglichkeit und Begrenzungen sowie die Überschneidung von Mensch und Maschine aus.

Davon zeugt schon der Prolog der Ausstellung, ein Messkasten bestehend aus eisernen Stangen, die die Umrisse eines menschlichen Körpers umschließen, ihn quasi als Negativkörper abbilden. Darin wird der Mensch fixiert, andererseits muss sich das harte Material an seine Formen anpassen. Eine Polarität, der wir mehrfach in Horns Schaffen begegenen.

Der Mensch, seine Begierden und Ängste, seine Lust und sein Streben nach Freiheit und Bewegung charakterisiert fast alle Werke der Künstlerin. Diese stellen den Menschen, seine Motivation, seine Bewegung ins Zentrum bis hin zu geradezu beseelt erscheinenden Skulpturen. Diese kinetischen Objekte zwischen Mensch und Maschine bilden eine wunderbare Parallele zum Werk Jean Tinguelys, dem Namensgeber des Museums.

Rebecca Horn lässt sich indes auch literarisch inspirierend, setzt zudem eigene Texte dazu, zum Beispiel entlang einer Glassröhre mit roter Flüssigkeit, die einem überdimensionalen Fieberthermometer gleicht, an dem man den Entwicklungszustand einer Liebesbeziehung ablesen kann: vom Zerstörerischen bis zur Einsamkeit.

Insgesamt gliedern sich die Arbeiten in vier Themenbereiche. Da ist zunächst das Thema „Flügel schlagen“ wie in der Installation „Pfauenmaschine“. Mit dem prachtvollen, sich auf und zu bewegenden Federkleid lässt sie an den Balztanz eines Vogels denken, wirkt sinnlich, poetisch. Die Form des sich öffnenden Federkleids wird noch mehrfach aufgenommen. So auch in einem gewaltigen hängenden Fächer, der statt aus weichen, sinnlichen Federn, aus kalt, aggressiv wirkenden Aluminiumstangen gefertigt ist, und sich ruckhaft öffnet und schließt.

In einem Glaskasten bewegt ein Schmetterling – Sinnbild der Seele – seine Flügel: schön, aber vergeblich, denn die Flucht kann ihm nicht gelingen. Ein ebenfalls Flügel schlagender alter Koffer bewegt sich Sisyphus-artig an einer Stange bis unter die Decke: Er assoziert Flucht und Vertreibung, zeugt von der Vergeblichkeit des Fliehens.

Im Raum „Zirkulieren“ fragt Rebecca Horn nach der Messbarkeit von Gefühlen oder der ambivalenten Beziehung zwischen Mensch und Maschine.

„Einschreiben“ heißt das Kapitel des dritten Themenschwerpunkts. Hier zeigt die Künstlerin, wie sie sich selbst in eine Zeichenmaschine verwandelt: Mit einer bedrohlich, geradezu furcheinflößend wirkenden Maske um den Kopf, an der sie Zeichenstifte befestigt hat, malt sie unkontrollierte Striche durch ihre Körperbewegung, davon zeugen Filmaufnahmen und Fotografien. Eine Malmaschine wiederum schleudert Pigment und Farbe auf Wand und Objekte, darunter ein Bücherstapel, der Bezug nimmt zu Oscar Wildes Theaterstück „Salomé“. So steckt bei Rebecca Horn hinter reiner Mechanik immer auch Sinnhaftigkeit, werden literarische oder thematische Fäden geknüpft, Assoziationen geweckt.

Wie auch im letzten Raum, „Tasten“ in dem tanzende Stöckelschuhe, mittels Stäbe in Ganz gesetzte Schreibmaschinen oder Handschuhfinger spinnenartig Köper und Umgebung abtasten – letzteres allerdings nur im Film zu erleben.

Kern dieser Kreativität laut Kuratorin Reimann: „Horns Schaffen ist wie ein lebendiges, pulsierendes Geflecht.“ Und dabei gehen ihre Themen immer wieder verbüffend neue Verbindungen ein.

  • Bis 22. September

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