Von Jürgen Scharf
Theater: Schillers Klassiker „Maria Stuart“ eröffnet Spielzeit bei Förnbacher
Von Jürgen Scharf
Basel. Maria Stuart, Königin von Schottland, spricht von einem Augenblick der Rache und des Triumphs. Bei diesem Zweikampf der Königinnen fordert sie ihre Kontrahentin auf, ihr die Hand zu reichen. Doch Elisabeth, Königin von England, geht nicht darauf ein, worauf die Stuart sie einen „Bastard“ schimpft und damit ihr eigenes Todesurteil besiegelt.
Es ist einer der Schlüsselmomente in Friedrich Schillers Königinnendrama „Maria Stuart“ und der Höhepunkt in der Inszenierung von Helmut Förnbacher. Der 200 Jahre alte Klassiker wird zur Spielzeiteröffnung im Förnbacher Theater Basel fesselnd auf die Bretter gestellt. Die intrigantenreichen Rededuelle werden mit so dichter Dynamik dargeboten, dass man fast von einem Politthriller sprechen könnte.
Diese politischen Machtkämpfe, religiösen Konflikte und persönlichen Fehden muten hochaktuell an: ein Lehrstück über Intrigen, Komplotte, Manipulationen, Verrat, Macht, Moral und verdrängte Liebe. Das ist wirklich kein Kostümstück! Deshalb hat Regisseur Helmut Förnbacher in seiner kammerspielartigen Inszenierung dieser Rachetragödie seine Protagonistinnen nicht in historische Kostüme gesteckt, denn es geht nicht um Historie, sondern um einen zeitlosen Inhalt. Die Darsteller in dieser konzentrierten, auf die Personen fokussierten Regiearbeit und nur auf wenige Bühnenelemente reduzierten Ausstattung treten in moderner Kleidung auf (Kostüme: Regina Potocki).
Kristina Nel als Königin von England in einem eng taillierten weißen Business-Hosenanzug mit silbernen Glitzerschuhen, Dora Balog als ihre Rivalin, die im Gefängnis auf ihren Tod wartet, in einem blutroten langen Kleid. Die Lords – sie stehen für die Staatsräson – sehen in ihren schwarzen Anzügen und Smokings mit Fliegen aus, als wären sie bei einer Oscar-Verleihung.
Förnbacher folgt nicht dem heute angesagten Theaterkonzept der „Basler Dramaturgie“, er überschreibt seinen Schiller nicht, entsorgt nicht die alten Texte, trimmt sie nicht aktuell, sondern vertraut auf die Macht der Sprache und sein Ensemble. In seiner werktreuen und zeitgemäßen Inszenierung kürzt er den Text und verdichtet den Stoff, bleibt aber nah am Original. Und wie man sieht, kann das auch spannend sein.
Es sind ja fantastische Rollen für ein spielfreudiges Ensemble wie das von Förnbacher. Vor allem Kristina Nel, mit der diese machtbewusste, verunsicherte und in ihrem Stolz verletzte Monarchin im Gewissenszwiespalt hervorragend besetzt ist, schafft es, diese große Frauengestalt und die bühnentragende Sprache mit innerer Dramatik und Leben zu erfüllen. Man hängt ihr bei ihren Auftritten auf dem Podest und dem roten angedeuteten Thron an den Lippen.
Neben der vorzüglich sprechenden Nel in einer ihrer grandiosesten Rollenverkörperungen ist das mehr emotionale Spiel von Dora Balog als der jüngeren Maria Stuart ebenso bewegend, wenn auch in der Aussprache stellenweise nicht ganz so klar verständlich.
Da die Herren auch keinen Zwang zur Historie in Kostümen haben, können diese Figuren auch die Gegenwart befragen. Etwa Matthias Klausener als scharfzüngiger, schon fanatischer Einflüsterer Baron von Burleigh, der die Königin drängt, das Todesurteil zu unterschreiben. Oder Graf von Leicester (Helmut Förnbacher), der Günstling der Königin, der wie ein heutiger Opportunist zwischen den beiden Parteien schwankt. Überzeugend auch Dieter Mainka als Hüter und Fürsprecher der Maria Stuart sowie Percy von Tomei als Staatssekretär Davison, ein zweifelnder, mit sich ringender Charakter.
Einen filmreifen Stunt von der Brüstung des Balkons auf die Bühne legt Falk Döhler als Mortimer hin, ein katholischer Konvertit, der zweierlei Gesichter zeigt, und ein Heißsporn, dessen Befreiungsversuch der gefangenen Maria Stuart aber scheitert – weil er den Intriganten ins Messer läuft. Was bleibt? Das Schlussbild der Elisabeth, wie sie allein auf der Bühne zurückbleibt, um sich die Kälte und Einsamkeit des Throns. Nächste Vorstellungen: 22., 26. September, 18. Oktober