Von Jürgen Scharf
Theater Basel: Béla Bartóks „Der wunderbare Mandarin“ und Oper „Herzog Blaubarts Burg“
Von Jürgen Scharf
Basel. Zwei Stücke über menschliche Abgründe und Begehren zeigt das Theater Basel in einem Doppelabend: Béla Bartóks Tanzpantomime „Der wunderbare Mandarin“ und seine einzige Oper „Herzog Blaubarts Burg“. Die Einakter werden manchmal zusammen gespielt, der Komponist hat sich die Kombination dieser beiden Liebesgeschichten immer gewünscht.
Irgendwo am Rande einer Großstadt. Umgestürzte Plastikstühle, Autoreifen, eine zerschlissene Matratze, ein umgeworfener Warnkegel und eine ausrangierte Telefonzelle mit baumelndem kaputtem Hörer – ein urbanes Chaos. In dem Telefonhäuschen sucht ein bedrängtes junges Mädchen Zuflucht vor einer kriminellen Gang. Die junge Prostituierte muss Freier anlocken, die die Bande ausraubt.
Das trostlose Umfeld bietet für Regisseur Christof Loy die Gelegenheit, Szenen von brutaler Gewalt auf die Bühne zu bringen. Die Brutalität und Wildheit dieser Musik schockiert noch immer. Die überhitzte Atmosphäre trifft in Basel auf ein leicht unterkühltes Bühnenbild mit Pfählen (Márton Agh).
Beim dritten Lockspiel taucht kein reicher Chinese auf, sondern ein eleganter Anzugmann, ohne den Nimbus des Exotischen. Der Mandarin/der Fremde (mit extrem dynamischer Körpersprache: Gorka Culebras) wird gleich mehrfach ermordet – erstickt, erstochen, erhängt und womöglich noch ertränkt. Aber er scheint unsterblich, erst beim Kuss und der intimen Umarmung des Mädchens darf er sterben.
Die agile und verführerische Carla Perez Mora, ganz in sündigem Rot mit schwarzen Strümpfen, schultert das türkisfarbene Täschchen, spielt den Lockvogel und umgarnt den fremden „Kunden“ in einem erotischen Tanzfurioso.
Bewegungstheater
Opernregisseur Loy, der erstmals auch choreografiert, kreiert hier eine Form von Bewegungstheater mit stark gestischer Ausdruckssprache, ähnlich der Sprache des Stummfilms. Ihm ist bei diesem Tanzstück eine genaue schauspielerische Arbeit geglückt, und er hängt noch einen Epilog an, der in eine utopische Welt weist. Zum „vertanzten“ ersten Satz von Bartóks geheimnisvoller „Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta“ gibt es eine christlich konnotierte Auferstehungsszene.
Nach dieser getanzten Erzählung ändert sich beim Bühnenbild für „Herzog Blaubarts Burg“ nicht viel, sie spielt am selben Ort, aber zu einer anderen Zeit, mit denselben Pfahlbauten, die sich in eine abgeschottete Burg verwandeln. Die Matratze dient in dieser Ehetragödie jetzt für eine tragische Liebesszene.
Christof Fischesser als Blaubart (mit sagenhaftem Parlandostil) und Evelyn Herlitzius als Judith, zwei ausdrucksstarke Sänger mit imponierenden Stimmen, führen einen psychologischen Geschlechterkampf vor. Die sieben Türen, hinter die Judith schauen will, gibt es in dieser Inszenierung nicht. Alles spielt sich in der menschlichen Seele ab, in einer Art Erlösungsmysterium – was eine inhaltliche Parallele zwischen den beiden Stücken schafft. Indem Judith Blaubart auffordert, eine Tür nach der anderen zu öffnen, lernt sie ihn immer mehr kennen. Er verschweigt, sie fragt. Beide nutzen die Sprache als Waffe.
Zum ersten Mal dirigiert Chefdirigent Ivor Bolton das Sinfonieorchester Basel bei diesen mehrteiligen Abend im Theater, eine absolute Ausnahme und von daher schon eine kleine Sensation. Mit unglaublich geschärftem Klang arbeitet er den Espressivostil Bartóks heraus, dirigiert bildhaft und plastisch. Und so spielt sich das Drama bei „Blaubart“ auch im Orchester ab. Termine: 12., 18., 23., 28. und 30. Dezember, jeweils 19.30 Uhr (sonntags 18.30 Uhr)