Von Jürgen Scharf
Theater: „Der eingebildete Kranke“ in einer Neuinszenierung des Molière-Klassikers im Förnbacher Theater
Von Jürgen Scharf
Basel. Löchrige Jeans und rosaroter Lackmantel: Die Neuproduktion von Molières Komödie „Der eingebildete Kranke“ im Förnbacher Theater im Badischen Bahnhof Basel ist auch ein witziges Kostümtheater. Nun haben sich ja viele namhafte Modeschöpfer von Dior bis Versace für Theater, Oper und Ballett als Theaterkostüm-Designer hervorgetan.
Und so sieht es aus, wenn zwei junge Schneiderinnen eine „Carte blanche“ bekommen und ihre Fantasie ausleben können: schrill, schräg, spektakulär. Die Kostüme von Camilla Fivian und Corinne Baumann in der neuen Förnbacher-Inszenierung erinnern in manchen Details an Modestars. Aber vor allem charakterisieren sie stark die einzelnen Figuren und bilden einen pfiffigen Mix mit Anklängen an historische Kostüme und modischen Chic.
So ist diese Geschichte um den pseudokranken Argan kein altmodisches Kostümstück, sondern ein flippiges Kostümfest. Dass der Klassiker um einen Hypochonder optisch aufpeppt wird, passt zum Regieansatz von Helmut Förnbacher. Hat er doch den Molière kräftig entstaubt und neu ins Deutsche übertragen, in einer flotten, zeitgemäßem Sprache, nach einer alten Vorlage des „Scenarium des Herzoglich Meiningen’schen Hoftheaters“ von 1879 unter Benutzung der Übersetzung von Wolf Graf Baudissin.
Förnbachers Neuinszenierung kommt überraschend temporeich und umwerfend komisch daher. Aus dem barocken französischen Lustspiel wird ein Theaterspaß mit Pep und Rap, der viele Gründe zum Lachen liefert, weil der Regisseur frech und unverblümt, mit viel Situationskomik und kleinen Slapstick-Einlagen an die Komödie herangeht.
Die Darsteller spielen leichtfüßig und behände mit. Und so kann Förnbacher genüsslich einige Szenen ins Absurde, Skurrile und bewusst übertrieben Karikaturhafte führen, um Grenzen zu sprengen, ohne das Original zu stark zu verfremden.
Trotz aller Klistiere und Tinkturen: Lachen ist die beste Medizin
Da bekommt der vorgebliche Todkranke nach wie vor seine Klistiere und Tinkturen, die an einer Schultafel aufgezählt sind. Um die Chaiselongue türmen sich die Arzneifläschchen und Tiegel. Und natürlich hat der Titelheld Pantoffeln und einen Morgenmantel an – eine Witzfigur, wie gewohnt.
Die Aufführung ist auf den Hauptdarsteller Dieter Mainka zugeschnitten, der mit dieser großen und dankbaren Rolle sein 66-jähriges Bühnenjubiläum feiern kann. Mainka spielt einen komödiantisch verschmitzten Argan, der gar nicht so kränklich wirkt, wenn er Kissen nach seiner aufmüpfigen Dienstmagd wirft. Diese plärrt herzergreifend und hat auch sonst die Fäden in der Hand.
Mia Lüscher als rotzfreches Dienstmädchen Toinette agiert akrobatisch, klettert auf den Balkon: eine moderne Colombina in Ringelstrümpfen. In ihren Gefühlsausbrüchen drückt Lea-Sina Bühler als Angelique in Löcherjeans und Rüschenbluse schwer auf die Tube. Zusammen mit ihrem Geliebten Cléante (Stefan Nyffenegger), der in Frauenkleidern dem Stück einen klamottigen Hauch von Charley’s Tante gibt, legt sie einen tollen Rap-Beat hin, den der Basler Komponist David Wohnlich geschrieben hat.
Der eingebildete Kranke ist derweil von Schmeichlern und Heuchlern umgeben. Allen voran seine Frau, ein berechnendes Luder (platinblond, aufgetakelt und zickig in roter Robe mit Pelzstola: Kristina Nel).
Eine glänzende Karikatur der Ärzteschaft gelingt Lothar Hohmann im geckenhaften rosa Lackmantel als Doktor Diafoirus, der mit seinen selbst gebrauten Klistieren und seinem dümmlich-unbeholfenen Sohn anrückt. Antoine Pérès gibt diesen jungen Möchtegern-Kavalier verdruckst mit leicht elsässischem Akzent.
Den besten Satz liefert der vernünftige Bruder von Argan (Percy von Tomei), der das Spiel durchschaut: „Die meisten Menschen sterben an ihren Heilmitteln und nicht an ihren Krankheiten“. Welch späte Einsicht!
Wie der verblendete Titelheld dann doch noch von seiner Quacksalber-Hörigkeit kuriert wird, ist lustig und unterhaltsam zu sehen und bestätigt einmal mehr die altbekannte Weisheit: Lachen ist die beste Medizin. Termine: 8., 17., 26., 29. November