Basel Neue Produktionsanlage für Gentherapie

Die Oberbadische

Wirtschaft: Novartis investiert 90 Millionen Franken / Zunächst 260 neue Stellen

Novartis baut an seinem Standort im aargauischen Stein eine Produktionsanlage für innovative Zell- und Gentherapien auf. Der Pharmakonzern will dazu in Stein innerhalb von drei Jahren bis zu 90 Millionen Franken investieren und gestaffelt bis zu 450 neue Stellen schaffen, wie er gestern mitteilte.

Von Michael Werndorff

Basel/Stein. Der Bau einer Produktionsanlage für neuartige Zell- und Gentherapien soll laut den Angaben die Einführung dieser Therapien in Europa vorantreiben. Anfänglich sollen rund 260 neue Stellen entstehen, mit einem Potenzial von bis zu 450 neuen Jobs – abhängig von der Nachfrage nach der neuen Gentherapie, wie es weiter hieß. Die ersten Therapien aus Stein würden voraussichtlich Anfang 2020 für Patienten in Europa und der Schweiz verfügbar sein. Erst am Freitag hatte Novartis von der Europäischen Kommission die Zulassung für seine Zell-Therapie Kymriah für zwei Anwendungsbereiche erhalten.

„Die Entscheidung, eine Anlage zur Herstellung zellbasierter Therapien in Stein anzusiedeln, ist ein Beispiel dafür, wie Novartis in der Schweiz in innovative Technologien investiert“, sagte gestern Matthias Leuenberger, Länderpräsident von Novartis Schweiz. „Die Entscheidung zeigt auch, wie sich die Produktionslandschaft verändert. Während wir in neue, hochentwickelte Technologien investieren, wird die Bedeutung einiger traditioneller Produktionszweige abnehmen“, machte er deutlich.

Erst im Juli hatte Novartis angekündigt, seine Forschung an neuen Medikamenten gegen antibiotikaresistente Bakterien einzustellen.

Novartis konzentriert seine Ressourcen

„Obwohl diese Programme wissenschaftlich äußerst überzeugend sind, wollen wir unsere Ressourcen auf andere Forschungsbereiche konzentrieren, in denen wir besser positioniert sind, um innovative Medikamente mit einem positiven Patientennutzen zu entwickeln“, sagte damals Novartis auf Anfrage unserer Zeitung. Die Entscheidung, die antibakterielle und antivirale Forschung im kalifornischen Emeryville einzustellen, hat laut Novartis keinen Einfluss auf die Anzahl der Stellen in Basel. In den USA sind indes 1400 Stellen abgebaut worden.

Novartis hat sich in den vergangenen Jahren bereits stark umgebaut. Einige Geschäftsbereiche wurden abgestoßen, andere verstärkt hin zu einem „fokussierten Arzneimittelunternehmen“ mit einem neuen Schwerpunkt bei Krebsmedikamenten. Unter der Regie von Firmenchef Vas Narasimhan, der seit Februar im Amt ist, wurde der Prozess fortgeführt.

Novartis stellt bereits Zell- und Gentherapien in Morris Plains, New Jersey (USA), her. Zudem wurde im Juli mit dem französischen Unternehmen CELLforCURE ab nächstem Jahr die Produktion von Therapien an deren Standort Les Ulis in Frankreich vereinbart. Auch an diesen Standorten will der Pharmariese die Produktionskapazität erhöhen.

Der Ausbau in der Schweiz und in Frankreich steht im Zusammenhang mit der europäischen Zulassung des neuen Krebsmedikaments Kymriah. Diese betrifft zwei sogenannte B-Zell-Malignome: einerseits die akute lymphoblastische Leukämie der B-Zellen bei Patienten im Alter bis 25 Jahren sowie das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom bei Erwachsenen, wie der Pharmakonzern gestern mitteilte. Der Anschluss von Stein an das Produktionsnetzwerk der Zell- und Genprodukte von Novartis unterstreiche laut Mitteilung das langfristige Bekenntnis zu dieser bahnbrechenden therapeutischen Klasse.

Therapie ist kostenintensiv

Diese ist übrigens sehr kostenintensiv: In den USA etwa kostet eine Kymriah-Therapie 475 000 US-Dollar. Bei der Behandlung werden Krebspatienten Zellen entnommen, gentherapeutisch modifiziert und wieder zugeführt, um den Krebs zu bekämpfen. Wie Narasimhan Anfang des Jahres ankündigte, stehe am Standort Stein mit seinen 1700 Mitarbeitern die Einführung zwölf wichtiger Produkte auf der Agenda. Diese sollen Potenziale zu Milliardenumsätzen haben, wie es weiter hieß.

Für Novartis ist die innovative Zelltherapie wichtig, denn das Unternehmen verzeichnet bei einigen älteren Medikamenten sinkende Umsätze und verliert über kurz oder lang weitere Patente für sogenannte Blockbuster, also Arzneien, die über eine Milliarde Dollar Umsatz einbringen. Ebenso schwächelt das Geschäft mit Generika, also Nachahmerpräparaten, wie im Juli zu erfahren war. Dank der Neuausrichtung ist Novartis auch im zweiten Quartal solide gewachsen. Der Gewinn vervielfachte sich dank eines Erfolgs aus dem Verkauf des Joint Ventures mit nichtrezeptpflichtigen Medikamenten an Glaxo Smith Kline. So weist der Pharmakonzern laut Mitteilung von gestern für das zweite Quartal einen Nettoumsatz in Höhe von 13,2 Milliarden US-Dollar aus – ein Plus von sieben Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Hierzu trug die größte Sparte Innovative Medicines mit Erlösen in Höhe von neun Milliarden bei.

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