Solche kleine Stippvisiten zu pittoresken authentischen Schauplätzen wie dem Grenzacher Horn, wo die guten Weinchen herkommen, oder ins Badische, machen den Roman, der auch ein Regiokrimi ist, für hiesige Krimifans lesenswert. Sprachlich zu großer Form läuft Bortlik im Kapitel über die Arbeiterinternationale auf, wenn Bakunin, der Fürst der Anarchie, sich über einen Kanten Brot hermacht, temperamentvoll das große Wort führt und in einer verrauchten Gaststube mit Nietzsche zusammentrifft.
Der Leser folgt dem jungen ermittelnden Nietzsche gerne, wenn er zum vierhändigen Klavierspiel bei Luise Bachofen, der jungen Gattin eines Altertumsforschers, zu Gast ist und feststellt, dass der inhaftierte Fritzli Hiebler ein Bauernopfer ist. Mit seinem messerscharfen Verstand, „kraft seines Geistes und kraft des logischen Denkens“ liefert der „Criminalist wider Willen“, der mittlerweile weiß, wie verzahnt und verhakelt die Basler Gesellschaft ist, die entscheidenden Hinweise, wer der wahre Mörder ist.
Wie Bortlik in den Nachbemerkungen im Buch und im Arena-Heft 21, dem Jahresheft der Literaturinitiative, über seine Recherchen zum Roman berichtet, ist diese Kriminalgeschichte eine Mischung aus Wahrheit und Fiktion, mit authentischen Schauplätzen, die die geschichtliche Realität abbilden, einem halbauthentischen Mordopfer sowie Prototypen der „mehrbesseren Gesellschaft“ Basels – auch wenn der Autor aus dramaturgischen Gründen da und dort ein bisschen Geschichtsfälscherei betreiben muss.
Etwas Besonderes ist, dass Bortlik neben Bakunin als einem seiner „persönlichen Helden“ zwei starke Frauen als Hauptfiguren einbringt – eine historisch verbürgte und eine ausgedachte Figur. Auch sprachlich fällt der Roman aus dem Rahmen. Wolfgang Bortlik hat nämlich versucht, die Sprache Gottfried Kellers aus der Zeit des 19. Jahrhunderts „nachzulesen“ und sich anzueignen. Also ein etwas anderer, literarisch anspruchsvoller Krimi.
Wolfgang Bortlik, „Allzumenschliches. Friedrich Nietzsche ermittelt“, Gmeiner-Verlag, 249 Seiten, 14 Euro.