Basel Ohne Pumps zum Fest des Prinzen

Die Oberbadische
Foto: Ketterer Foto: Die Oberbadische

Oper: „La Cenerentola“ von Rossini im Basler Theater

Von Jürgen Scharf

Basel. Ein Märchen aus alter Zeit: „Es war einmal ein König...“ Aschenbrödels Arie zieht sich durch die ganze Oper, vom Anfang, wenn das Lied schon im ersten Akt erklingt, bis zum Finale, wo diese Kavatina das Melodramma giocosa beschließt. „Una volta c’ era un re“ ist die einzige Moll-Arie in Rossinis „La Cenerentola“. Das traurige Lied vom König, der eine nicht standesgemäße Frau aussucht, wird von der Titelfigur Angelina gesungen.

Trotz der Traurigkeit geht dieses Aschenputtel nicht in Asche, sondern steigt als Königin des Belcanto aus der Asche. An jemanden, der in Sack und Asche geht, muss man in der Inszenierung der Rossini-Oper im Basler Theater denken, denn alle Protagonisten tragen sackähnliche, gesichtslose, unförmige Strohpuppen an sich, auf dem Rücken oder vor den Bauch geschnallt. Das macht die Darsteller bewegungsunfähiger oder tollpatschiger – und das in einer Umgebung, in der Gewalt herrscht. Angelina wird von ihrem Stiefvater ausgebeutet, von ihren Stiefschwestern drangsaliert. Warum aber tragen sie alle Puppen?

Der italienische Regisseur Antonio Latella wollte die psychische und physische Gewalt, der Angelina ausgesetzt ist, auf kindliche, infantile Art erzählen, wie durch die Augen eines Kindes, und dies mithilfe von Puppen (Kostüme: Graziella Pepe). Hat man sich erst einmal daran gewöhnt und sich auch nicht länger an den überdimensionalen toten Blumen auf der Bühne (Antonella Bersani) gestört, kann man sich ganz auf die Handlung, die wundervoll leichtfüßige Musik und diese wirklich sinnliche, poetische und verspielte Inszenierung samt den Gesang konzentrieren. (Nach der Pause liegen die Puppen, nunmehr mit roten Herzchen, sowieso am Boden – es geht auch ohne!).

Latellas Regiearbeit scheint ganz aus der großen italienischen Buffotradition gewachsen und überzeugt vollends als komische Oper vom „Semiseria-Typ“, also einer Mischung aus „Buffa“ und ernster „Seria“. Ohne ein paar Gags geht es nicht. Da wirft Angelina ihre Pumps hinter sich, und es geht huckepack zum Fest des Prinzen! Eine Idee steckt schon dahinter, wenn sie während der Ouvertüre mit einer kleinen Prinzenpuppe spielt, ganz ärmlich noch gekleidet, halb nackt, mit Slip und Shirt, oder mit einer Puppe schmust.

Eine stimmliche Offenbarung

Als Gast von der Deutschen Oper Berlin ist die russische Mezzosopranistin Vasilisa Berzhanskaya in der Titelpartie zu erleben. Trotz aller äußerlichen Unfreiheit ist ihre Angelina eine sehr selbstbewusste junge Frau, die weiß, was sie will, und dies auch durchsetzt. Stimmlich ist die Sängerin eine Offenbarung, mit wunderbar warmem Timbre in den atemberaubenden Koloraturarien. Zudem macht sie die Wandlung vom hässlichen Entlein zum schönen Schwan glaubhaft.

Ihr Prinz auf Brautschau, Don Ramiro (Juan José de Léon) gefällt als graziöser Tenorino mit schöner Höhe. Sein Diener Dandini (Vittorio Prato) ist auch kein Belcantist, wartet aber mit sonorer Stimme auf. Die Regie macht beide zu einem schwulen Paar, mal was Neues; die homoerotische Beziehung ist heute nicht mehr sonderlich provozierend, zumal Prinz und bediensteter Lustknabe eh wie ein Paar funktionieren. Das ganze Durcheinander der Verwechslungen und Verkleidungen fördert die Buffolaune des rasenden Barons Don Magnifico. Bassbariton Andrew Murphy erweist sich in der Rolle des feudalen Proleten mit schlechten Manieren als ein wahrer Parlandokünstler mit virtuosen Zungenbrechern im zweiten Akt.

Überhaupt ist das Ensemble optimal besetzt, nicht ganz unwichtig bei einer Ensembleoper wie der „Cenerentola“. Bis auf die Titelheldin sind die anderen Figuren stark überzeichnet. Bei den beiden Stiefschwestern herrscht Zickenalarm. Sarah Brady und Anastasia Bickel sind schrill aufgetakelt mit Hochfrisuren. Durch die Szene geistert Tassos Apostolou als Alidoro, Hauslehrer, Philosoph, Strippenzieher und Spielleiter in einem. Schwungvoll sind die Finali, elegant ist der Rossini-Klang im leicht und locker aufspielenden Basler Sinfonieorchester, wo mit Daniele Squeo ein Rossini-Versteher am Pult steht, der die mechanischen Steigerungen und Beschleunigungen präzise wie ein Uhrwerk aufdreht und ganze Arbeit leistet. Man wird förmlich mitgerissen vom vorwärtsdrängenden Tempo dieser Musik-Lokomotive, vom Strudel der Rossinischen „Crescendo-Walze“.

Nachdem es im letzten Aktschluss dieser Buffa vom Aschenbrödel drunter und drüber geht, viel Donnerblech dröhnt und Stühle fliegen, wird es plötzlich ruhig, wenn Angelina wieder ihre Arie „Einmal war ein König“ singt, an der man sich gar nicht satthören kann.   Termine: So. 14. , 17. , 22. Januar

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