Basel Ringen um ein Rahmenabkommen

Die Oberbadische

Podiumsdiskussion: Personenfreizügigkeit steht erneut im Fadenkreuz der Politik

Sollte die Personenfreizügigkeit im Rahmen der Bilateralen Verträge I mit der Europäischen Union wegfallen, würde das die Alpenrepublik empfindlich treffen. Das Realeinkommen könnte laut einer Studie um bis zu vier Prozent sinken. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion wurde am Montagabend erneut die Notwendigkeit eines Rahmenabkommens mit der EU betont.

Von Michael Werndorff

Basel. Seit Annahme der Masseneinwanderungsinitiative (MEI) im Jahr 2014 (Stichwort Inländervorrang light), ist das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU schwierig geworden, und die Verhandlungen über ein Rahmenabkommen dauern nun schon vier Jahre an.

Mit der jüngst von der SVP angekündigten Begrenzungsinitiative, mit der die Partei eine eigenständige Steuerung der Zuwanderung erreichen will, rückt die im Jahr 1999 vereinbarte Personenfreizügigkeit erneut ins Fadenkreuz der Politik. „Für die Regio Basiliensis und die Starke Region Basel/Nordwestschweiz sind der unbürokratische Zugang für unsere Nachbarländer zum Schweizer Arbeitsmarkt, der weiterhin gesicherte EU-Marktzugang und ein umsichtiges Vorgehen bei der Personenfreizügigkeit aber zentrale Forderungen bei der Weiterentwicklung der Bilateralen Verträge“, wie Kathrin Amacker, Präsidentin des Vereins Regio Basiliensis, am Montagabend in einer Podiumsdiskussion unter dem Motto „Personenfreizügigkeit CH-EU: Wohlstandsgarant oder Problembringer“ erklärte.

Untermauert wurde Amackers Forderung aus wissenschaftlicher Sicht von Wirtschaftsprofessor Rolf Weder, dessen Referat die Vor- und Nachteile des Abkommens beleuchtete. Der Experte für Außenwirtschaft stellte klar: „Wirtschaftliche Integration der Schweiz erhöht den Wohlstand, hat jedoch interne Verteilungs- und Verdrängungseffekte zur Folge.“ So gebe es Verlierer und Gewinner innerhalb des Landes – Arbeitskräfte müssten daher flexibel sein. Mit der Einführung der Personenfreizügigkeit im Jahr 1999 nahm die Immigration deutlich zu, bilanzierte er. Grenzgänger, Migranten und der Kapitalaustausch führen zu einem produktiveren Einsatz der Ressourcen. Bei einem Wegfall der Bilateralen I werde ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf um 1,5 bis 3,9 Prozent erwartet und eine um 25 Prozent geringere Immigration, wie es weiter hieß.

Wie wichtig ausländische Arbeitskräfte seien, machte Thomas Bösch, Leiter HR Switzerland von Novartis, deutlich. Lediglich ein Drittel der Stellen könnten mit Schweizern besetzt werden, ein weiteres Drittel machten Grenzgänger aus, und noch einmal so viele seien in der Schweiz lebende Ausländer. Kritik äußerte Bösch daran, dass in der Schweiz angesichts des hohen Fachkräftebedarfs zu wenige Spezialisten ausgebildet würden. Die MEI und weitere Initiativen würden die ausländischen Arbeitskräfte emotional treffen, auch sei eine derart radikale Gesetzgebung, wie von der SVP gefordert, unverhältnismäßig.

Doch nicht nur die Basler Pharmariesen sind auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen, sondern auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Das sagte Elisabeth Schneider-Schneiter, CVP-Nationalrätin und Präsidentin der Handelskammer beider Basel. Die KMU hätten zudem einen hohen administrativen Aufwand bei der Suche nach geeigneten Arbeitskräften.

In der Debatte um die Personenfreizügigkeit habe man aber durchaus Fehler gemacht, die von der SVP ausgenutzt würden, räumte die Politikerin ein: „Wir haben dem subjektiven Unsicherheitsgefühl der Bevölkerung keine Beachtung geschenkt und es versäumt, negative Auswirkungen der Freizügigkeit öffentlich zu benennen.“ Außerdem würden stets die verschiedenen Migrationsarten miteinander vermischt, monierte sie.

Die Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes sei kein zu unterschätzendes Thema, wie Moderator Matthias Zehnder bemerkte. Dass die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt indes einen vielversprechend sei, meinte Regierungsrat Christoph Brutschin. In der Nordwestschweiz könne – anders als im Tessin (die größte Grenzgängerregion der Schweiz) – auch nicht von Lohndumping die Rede sein. Sorge müsse man sich nicht nur um die Gewinnung hochspezialisierter Fachkräfte machen, auch bei weniger gut bezahlten Berufen, für die sich keine Schweizer Arbeitskräfte finden, gebe es laut Brutschin Handlungsbedarf. Insgesamt profitiere die Schweiz von den EU-Nachbarn.

Als einziger Kritiker trat der aargauische SVP-Nationalrat Luzi Stamm auf, der sich gegen die Personenfreizügigkeit aussprach. „Sie schadet, und der Missbrauch ist regelrecht institutionalisiert. Außerdem haben wir eine sehr große schädliche Einwanderung.“

Kritik übte er auch an den in der Studie präsentierten Zahlen sowie an Böschs Aussage, die von der SVP geforderte Gesetzgebung würde insbesondere die Hochqualifizierten treffen. In den Verhandlungen mit der EU müsse die Schweiz mit der richtigen Haltung antreten, dann könne sie auch Ausnahmeregeln vom Abkommen der Personenfreizügigkeit mit der Europäischen Union erhalten.

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