Basel Rolle der Behörden wird aufgearbeitet

Michael Werndorff
Im Maßnahmen- und Strafvollzug ist die Resozialisierung ein wichtiges Ziel, das nicht immer erreicht wird. Foto:  

Der Kanton Basel-Stadt hat nach dem Tötungsdelikt vom August am Nasenweg Andreas Werren und Frank Urbaniok mit einer externen Untersuchung beauftragt. Das Resultat soll Anfang 2025 vorliegen.

Das Tötungsdelikt an einer 75-jährigen Frau im Breite-Quartier im August hat hat viele Fragen aufgeworfen. Denn: Der mutmaßliche Täter, den die Polizei nach einer Öffentlichkeitsfahndung schnell festnehmen konnte, hat nicht zum ersten Mal getötet. Der an Schizophrenie leidende 32-jährige Raphael M. hatte bereits am 3. November 2014 im selben Quartier zwei Frauen erstochen und einen betagten Mann mit einem Messer schwer verletzt. Er wurde damals noch am Tatort festgenommen. Das Basler Strafgericht ordnete daraufhin eine stationäre psychiatrische Behandlung an.

Bereits kurz nach der Festnahme im August stand die Frage des Behördenversagens im Raum, und jetzt kommt Bewegung in die Sache: Der Kanton Basel-Stadt hat Andreas Werren und Frank Urbaniok mit einer externen Untersuchung beauftragt. Ziel der Untersuchung sei die Aufarbeitung des Falles, wie das Justiz- und Sicherheitsdepartement sowie das Gesundheitsdepartement am Freitag gemeinsam mitteilten. So sollen die Fallführung, die vorgenommenen Risikobeurteilungen, die Zusammenarbeit der involvierten Stellen oder das Monitoring des Therapieverlaufs untersucht werden. Das Resultat der Untersuchung soll bis Anfang nächsten Jahres vorliegen.

Werren und Frank verfügten beide über langjährige Erfahrung im Bereich der Forensik sowie der Analyse komplexer Fälle, heißt es weiter. Werren ist ehemaliger Leiter des Amtes für Justizvollzug des Kantons Zürich und heute als selbständiger Berater tätig. Urbaniok ist Professor für Forensische Psychiatrie und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er war mehr als 20 Jahre lang Chefarzt des Psychiatrisch Psychologischen Dienstes (PPD) im Justizvollzug des Kantons Zürich. Seit 2018 arbeitet er in eigener Praxis als Berater, Therapeut, Supervisor und Gutachter. Urbaniok habe die forensische Psychiatrie in der Schweiz maßgeblich mitgeprägt, heißt es weiter.

Beim Tatverdächtigen handelt es sich um einen Wiederholungstäter, der sich in den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel befand und unbegleiteten Freigang hatte. Hierbei ist es im August zu einer erneuten Bluttat gekommen, welche die Behörden in den Fokus rückten: „Falls sich der dringende Verdacht bestätigt, ist es so, dass wir als Kanton der Verantwortung nicht gerecht werden konnten – ich bedaure das“, sagte Lukas Engelberger, Vorsteher des Gesundheitsdepartements, wenige Tage nach der Tat im Rahmen einer Pressekonferenz, bei der allgemein über das Vorgehen im Straf- und Maßnahmenvollzug informiert wurde.

„Oberstes Ziel ist, dass sich solche Taten nicht wiederholen“, erklärte Stephanie Eymann, Vorsteherin des Justiz- und Sicherheitsdepartements, vor zahlreichen Medienvertretern. Ob alles nach Vorschrift abgelaufen ist, könne vor dieser Untersuchung noch nicht gesagt werden, so Eymann weiter. Noch vor der externen Untersuchung würden die UPK bereits die Abläufe intern analysieren, wie im Sommer weiter zu erfahren war.

Eine erste Maßnahme war damals eine kurzfristige Einstellung der Freigänge. Michael Rolaz, Chef der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK), zufolge gelte die Maßnahme zum Schutz der Patienten. Die Öffnung des Vollzugs sei gesetzlich vorgeschrieben, daher müssten die UPK diese danach wieder anstreben.

Wie es zur der Entscheidung kam, den Tatverdächtigen alleine auf einen Freigang aus der geschlossenen Klinik zu lassen, ist derzeit noch nicht publik. Über Vollzugsöffnungen verfügt der kantonale Straf- und Maßnahmenvollzug. Bis zum Abschluss des Verfahrens und dem Gerichtsurteil könne sich diese noch nicht zum Einzelfall äußern, wie dessen Leiterin Sabine Uhlmann erklärte.

Klar ist: Lockerungen von Maßnahmen bei Patienten in der forensischen Abteilung würden stets stufenweise durchgeführt. Diese fänden zunächst begleitet und auf dem UPK-Areal statt, dann schrittweise auch außerhalb. So solle etappenweise überprüft werden, ob Behandlungsziele erreicht wurden. Letztlich entscheidet der kantonale Straf- und Maßnahmenvollzug über Lockerungen und Freigänge, breit abgestützt nach Aktenlage, führte Uhlmann aus. Kurzum: „Vor jedem Ausgang wird der psychische Zustand des Patienten neu eingeschätzt.“ Bei Anzeichen von Problemen fänden keine Ausgänge statt.

Konnte der mutmaßliche Wiederholungstäter die Ärzte vielleicht über seinen tatsächlichen Gesundheitszustand getäuscht haben? Manipulation und Lügen gehörten zur Arbeitsrealität der UPK, hieß es an der Pressekonferenz. Aber: Einem vorgetäuschten Verhalten könne man beim Patienten über direkte Beobachtung, unter anderem in Stresssituationen, auf die Schliche kommen.

Die Basler Forensik verfügt eigenen Angaben zufolge über zwei Abteilungen mit je 16 Plätzen. Zuletzt gab es zwölf untergebrachte Täter, die unter einer paranoiden Schizophrenie leiden und eine Gewalt- oder Sexualstraftat begangen haben.

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