Basel Schlacke und Chemieschlamm

Die Oberbadische

Klybeckareal: Produktionsrückstände in Erdreich und Mauerwerk / Sanierung kann kostspielig werden

Auf einer 40 Fußballfelder großen Fläche soll aus einem Industrieareal ein neues Basler Stadtquartier werden. Mit der Bekanntgabe der Bereitstellung dreier Gebäude auf dem Klybeckareal zur Zwischennutzung wurde ein wichtiger Schritt getan. Allerdings: Im Boden und in Industriebauten schlummern noch Altlasten. Die Sanierung kann kostspielig werden.

Von Michael Werndorff

Basel. Paul Svoboda, Leiter der Abteilung Gewässerschutz des Basler Amts für Umwelt, nutzt ein Bild, um die aktuelle Belastung des Grundwassers zu verdeutlichen. „Wird ein Teebeutel mehrmals genutzt, kommt nach einer gewissen Zeit nichts mehr raus.“ Gleiches gelte für die Stoffe im Boden. „Da löst sich nichts mehr“, erklärt er im Gespräch mit unserer Zeitung und gibt Entwarnung. Die teils krebserregenden Chemikalien wurden in der mehr als 100-jährigen Geschichte des Industrieareals im Grundwasserstrom abtransportiert.

Was im Boden blieb, der heute überwiegend im Besitz von BASF und Novartis ist, war der nicht lösliche Inhalt des Teebeutels, will man bei Svobodas Bild bleiben. Konkret handelt es sich um eine Fülle verschiedener Rückstände, die aber in einer nicht schädlichen Konzentration vorliegen würden.

Quartier steht auf Deponie

Die Vergiftung des Areals begann schon vor mehr als einem Jahrhundert, noch bevor die Farb- und Pharmaproduktion die Produktion aufnahm. 1895 legte der baselstädtische Große Rat das Straßennetz fest und bestimmte, dass alle Straßen über der Hochwassergrenze der Wiese erstellt werden müssen. Dementsprechend wurden die Straßen auf Dämmen errichtet, und das Land rechts und links davon wurde als Platz für Schuttablagerungen aus der Stadt vorgesehen.

Im Zuge dieser Nutzbarmachung des Überschwemmungslandes im Delta von Wiese und Rhein zwischen 1885 und 1920 wurde das Gebiet großflächig mit Aushub, Bauschutt, Haus- und Gewerbeabfällen, Abfällen aus der chemischen Industrie und Ofenschlacken um zwei bis fünf Meter aufgefüllt. „Diese Auffüllungen sind heute noch flächendeckend vorhanden“, erklärt Svoboda. Das komplette Klybeckquartier wurde mehr oder weniger auf einer Müllhalde errichtet. Auf der ehemaligen Sumpflandschaft siedelte sich die Farb- und Pharmaindustrie an. Mit Clavel und den ersten synthetisch hergestellten Farbstoffen nahm die industrielle Nutzung des Klybeckareals ihren Anfang.

Gerade zu Beginn der Produktion sei es immer wieder zu Verunreinigungen der Natur gekommen, leckanfällige Tonleitungen brachen und Chemikalien fanden den Weg ins Grundwasser, wie Ulrich Weber vom Umweltschutz bei Novartis gegenüber unserer Zeitung bei einem Ortstermin sagte. Eine Chemiekläranlage entstand erst in den 1980er-Jahren.

Gelände stark verschmutzt

Will man Martin Forter, Altlastenexperte und Geschäftsführer der „Ärzte für den Umweltschutz“, glauben, dann ist sogar das gesamte Gelände massiv chemisch verschmutzt. Tonnen giftiger Chemikalien seien im Boden versickert, sagte Forter im September gegenüber dem Schweizer Radio und verwies ebenfalls auf lecke Abwasserleitungen, die vor dem Bau der Kläranlage direkt in den Rhein führten. Hierzu erklärt das Amt für Umwelt, dass es bis heute keine Hinweise darauf habe, dass im Klybeck außerhalb der Altrheinauffüllung Abfälle aus der chemischen Produktion abgelagert wurden.

Sanierungsbedarf

Bis auf ein Areal bewertet das Amt für Umwelt die Industriefläche äußerstenfalls als überwachungsbedürftig ein. Die Grundlage zu dieser Einschätzung lieferten umfassende Analysen. Novartis hat in den Jahren 2014 bis 2016 insgesamt 600 Probebohrungen durchgeführt, die keine „weiteren unliebsamen Überraschungen zutage gefördert hätten“, wie das Unternehmen vergangenes Jahr in einer Mitteilung schrieb. Bekannt ist: Sanierungsbedarf besteht überwiegend auf einer Parzelle an der Mauerstraße, wo laut Weber bis vor einigen Jahren Textilfarbstoffe produziert wurden. Dort gab es in der Vergangenheit eine Havarie, bei der große Mengen organischer Lösungsmittel ins Erdreich sickerten, sich sammelten und seit 1999 aus 15 Metern Tiefe herausgepumpt werden.

Weitere Nutzung prüfen

Doch nicht nur der Boden ist betroffen, auch die Gebäude sind teilweise kontaminiert. Vor dem Hintergrund der Umnutzung und des Denkmalschutzes stehen die Verantwortlichen vor einer großen Herausforderung. Kurzum: Geprüft werden muss die Sanierung und die Kostenfrage. Dirk Schmidt von der kantonalen Denkmalpflege erklärt, dass das Ziel sei, denkmalpflegerisch wertvolle Bauten zu erhalten.

Architektonisch wertvoll ist zum Beispiel eine Produktionshalle an der Ecke Klybeck- und Mauerstraße. Das Gebäude wurde um 1955 als Tageslichtfabrik und mit modernster Technik zur Herstellung von Farbstoffen für Wolle und Textilien errichtet. Je nach Vorhaben steht hier aber eine Entkernung oder sogar der Abriss an.

Kostspielige Sanierung

Sollte sich der Kanton dazu entschließen, im Rahmen der Quartiersentwicklung Areale zu erwerben, dann greift die sogenannte Bauherrenlast. Das heißt, der Bauherr ist verantwortlich, mögliche Altlasten nach gesetzlichen Vorgaben zu entsorgen. Und das kann durchaus sehr kostspielig werden, erklärt Svoboda. Während eine Tonne normaler Bauaushub mit 34 Franken zu Buche schlägt, kann ein Kubikmeter hochgradig belasteter Aushub, der in Verbrennungsöfen behandelt werden muss, bis zu 100 Franken kosten.

Wie schnell die Kosten aus dem Ruder laufen, zeigt die Sanierung des Steih-Areals neben dem Novartis Campus. Hier rechnete man mit Kosten in Höhe von 100 Millionen Franken, mittlerweile haben sich die Ausgaben verdoppelt. Fragt sich, wie die Verantwortlichen mit dem Erbe im Boden umgehen wollen. Laut Novartis sei beispielsweise denkbar, dass man eine Parzelle, auf der belastetes Erdreich ausgehoben wird, für eine Tiefgarage nutzt.

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