Basel Schlummert Gift im Boden?

Michael Werndorff
Auf dem Klybeck-Areal soll ein lebendiges und durchmischtes Stadtquartier entstehen. Foto: zVg

Eine neue Studie besagt, dass der Kanton Basel-Stadt das Benzidin-Problem lange vernachlässigt hat. Dieser kontert und spricht von haltlosen Vorwürfen.

Rund 6000 bis 7000 Tonnen Benzidin soll das Chemieunternehmen Ciba (heute BASF) im Basler Klybeckareal hergestellt beziehungsweise verarbeitet haben. Im Boden der ehemaligen Produktionsstandorte sollen noch Altlasten dieser hochgiftigen und krebserregenden Substanz schlummern, warnt der Basler Geograf und Altlasten-Experte Martin Forter in einer kürzlich veröffentlichten Studie, die im Auftrag der Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz (AefU) erstellt wurde.

Der Experte beschreibt darin, wie der Kanton Basel-Stadt, Novartis, Syngenta und BASF über Jahre hinweg das Problem von Schadstoffrückständen auf den Arealen Klybeck und Rosental vernachlässigt hätten, wo bald neue Stadtquartiere entstehen sollen. Derweil weist das zuständige Amt die Vorwürfe von sich.

Blasenkrebs verbreitet

„Nur wenige Arbeiter sind älter als 60 Jahre geworden. Aromatische Amine wie Anilin oder Benzidin, mit denen die Angestellten bei der Farbherstellung in Kontakt kamen, haben oft zu Blasenkrebs geführt, berichtete der ehemalige Chemiearbeiter Hans Georg Heimann vor wenigen Monaten im Rahmen einer Ausstellung über den Arbeitsalltag in den einstigen Fabriken des Klybeck-Areals (wir berichteten).

Benzidin wird als hochgradig krebserregend eingestuft. Die Arbeiterzeitung „Ciba Prolet“ bezeichnet Blasenkrebs als „eine Berufskrankheit“, die sich eine erschreckende Anzahl von Arbeitern bei der Ciba zugezogen habe. Mehr als 100 Jahre lang wurden dort synthetische Farbstoffe, chemische und später pharmazeutische Produkte hergestellt, weiterverarbeitet, abgefüllt und gelagert. Heimann arbeitete fünf Jahre lang für die „Chemische“. Man habe es in der Produktion eigentlich ständig mit gefährlichen Situationen zu tun gehabt.

Boden verschmutzt

Im Laufe der Jahrzehnte dürfte die Ciba AG auch den Boden und das Grundwasser verschmutzt haben, berichtet Forter von großen und kleineren Unfällen. Eingestellt wurde die Benzidinproduktion 1971.

Die Behörden hätten das Benzidin-Problem lange vernachlässigt, wie Forter moniert. Zwar hätten Untersuchungen vor dem Hintergrund der Altlastenverordnung stattgefunden, dem Kanton Basel-Stadt attestiert der Autor aber keine beziehungsweise eine untaugliche Benzidin-Analytik. Der Kanton falle durch ein unkoordiniertes Vorgehen und lückenhafte Standort-Untersuchungen auf. Das gehe soweit, dass Benzidin teils jahrelang „vergessen“ wurde. Er kommt zu dem Schluss, dass die bisherigen Untersuchungen eine Verschmutzung jedenfalls nicht zuverlässig ausschließen können.

Baselland handelt

Ein besseres Zeugnis stellt Forter den zuständigen Behörden der Kantone Baselland und Jura aus: Sie hätten die Benzidin-Belastung zumindest in jüngerer Zeit als ernst zu nehmendes Problem anerkannt. So startete der Landkanton im vergangenen Jahr damit, bei Chemiegeländen und Chemiemülldeponien die erforderlichen Untersuchungen nachzuholen. „Nur Basel-Stadt hat bisher noch immer keine systematische Untersuchung auf Benzidin angekündigt“, so Forter.

Besteht nun eine unmittelbare Gefahr für die Basler Bevölkerung? Forter: „Wohnen und Benzidin geht nicht zusammen. Aktuell könnte Benzidin bei einer Altlastensanierung im Rosental durch Immobilien Basel-Stadt zum Risiko für Bauarbeiter und Anwohner werden.“

Haltlose Vorwürfe

Kurz nach Veröffentlichung der Studie meldet sich nun das Basler Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt zu Wort. Der erneute Vorwurf des Vereins Ärzte für den Umweltschutz an die Adresse der Basler Behörden, sie würden Benzidin-Sanierungen verschleppen, sei haltlos: Anders als behauptet, seien die Risiken an den ehemaligen Produktionsstandstandorten Rosental und Klybeck den Behörden bekannt, soweit diese abgeklärt werden könnten. „Die regelmäßigen Messungen zeigen, dass im heutigen Zustand keine Gefährdung für Mensch oder Umwelt besteht. Aufgrund der Bodenbelastungen auf diesen Arealen muss bei künftigen Bauvorhaben jedoch genau hingeschaut werden“, heißt es weiter.

Umfassende Maßnahmen

Außerhalb der ehemaligen Produktionsstandorte im Klybeck und Rosental sei Benzidin nur im alten Rheinarm nachgewiesen worden, schreibt das Amt – einem Standort, wo die Behörden es auch erwarteten, da vor mehreren Jahrzehnten dort regelmäßig Chemieabfälle abgelagert worden sind. Zum Schutz von Anwohnern sowie der dort arbeitenden Personen hätten die Behörden umfassende Maßnahmen angeordnet.

Für Forter steht fest, dass es dringend eine Revision der Altlastenverordnung brauche. „Sie muss künftig gewährleisten, dass bei Vermutung auf so gefährliche Substanzen wie Benzidin zuverlässig und gemäß dem Stand der Technik abgeklärt wird, ob sie die Schutzgüter aktuell oder in Zukunft gefährden oder verschmutzen könnten.“

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