Warum wird das Thema seitens der Entscheidungsträger ausgeblendet?
Das ist eine schwierige Frage, die sich nicht einfach beantworten lässt. Ich denke, es ist für viele Menschen ein unangenehmes Thema, aber mittlerweile kann man nicht mehr wegschauen. Will man etwas verändern, heißt es, die Komfort-Zone zu verlassen, was durchaus Gefühle wie Trauer auslösen kann. Ich kann auch nicht jeden Tag ein Steak essen, weil ich verstanden habe, dass ich das auf Kosten anderer mache. Insbesondere, wenn damit Leid oder sogar Krieg verbunden ist.
Ist Urban Agriculture die richtige Antwort auf die besagten Herausforderungen?
Es ist jedenfalls ein Bereich, sich zu engagieren, um einen soziokulturellen Begegnungsraum zu schaffen, der einen Kontrapunkt setzt beziehungsweise eine Alternative anbietet. Hier kommt auch eine Sehnsucht ins Spiel, sich als Teil der Natur zu erkennen. Denn, wenn wir stets globale Probleme sehen, kann das für den Einzelnen durchaus sehr frustrierend sein. Daher ist es wichtig, auch junge Menschen mit ins Boot zu holen, die selber Verantwortung übernehmen und Räume anders gestalten. Neue Ideen entstehen nicht aus alten Denkmustern heraus, vielmehr braucht es Menschen, die den Mut haben bei sich selbst anzufangen und nicht sofort wieder wegrennen, wenn es ungemütlich wird. Am Anfang steht ein wilder Haufen, aber aus dieser Kreativität der Akteure entwickeln sich neue Strukturen, wobei die Urban-Agriculture-Bewegung die Brücke von der städtischen Bevölkerung zur landwirtschaftlichen Umgebung schlägt.
Welche Herausforderungen begegnen Ihnen bei der Projektarbeit?
Wenn man in einem bestehenden System Pionierarbeit leistet, treffen Welten aufeinander. Hier geht es darum, keine schwammigen Kompromisse zu machen, aber Schritte zu verwirklichen im Sinne des Sprichworts „eine lange Reise beginnt mit dem ersten Schritt“.
Eine Herausforderung ist auch, in den Verwaltungen und Gemeinden jene Menschen zu finden, die etwas Neues probieren wollen. Hierbei spielen die zwischenmenschlichen Beziehungen eine wesentliche Rolle, denn es geht auch darum, einen inneren Wandel zu vollziehen. Deswegen haben wir von Anfang an viel Wert auf Transparenz und Weiterbildung im Bereich Kommunikation gelegt. Denn 90 Prozent aller Projekte scheitern nicht an irgendeinem Gesetz, sondern an zwischenmenschlichen Herausforderungen.
Sie sind mit Ihrem Verein auf der Expo vertreten. Wie wichtig ist Ihnen die Bestätigung durch die kantonalen Behörden?
Wir verfolgen ein anderes Erfolgskonzept, als man das gängigerweise in unserem neoliberalen wirtschaftlichen Denken kennt. Erfolgreich sein, heißt für uns, den Mut aufzubringen, genau hinzuschauen, hinzufühlen, etwas zu tun. Heißt Verantwortung zu übernehmen, aber auch keine Angst zu haben, öffentlich zu scheitern. Letzteres kann in unserem Sinne dann sehr erfolgreich sein. Was es aber wirklich braucht, ist die Anerkennung durch Wertschätzung, die über die Dankbarkeit der Projektteilnehmer und Besucher kommt. Ohne deren Anerkennung hätten wir schon längst wieder aufgehört. Nur auf die Wertschätzung der Verwaltung zu warten, wäre träge und frustrierend.
Begegnen Ihnen die Behörden mit offenen Armen? Schließlich hat Sie die Basler Stadtgärtnerei tatkräftig bei der Verwirklichung des Landhofs unterstützt.
Verwaltungen sind ja eher träge Apparate und wollen auch nicht jeden zweiten Tag, wenn ein wilder Haufen kommt, neue Wege beschreiten. Da braucht es zuerst viel Vertrauensarbeit. Wir sind interdisziplinär aufgestellt, Professoren sind dabei und Jugendbotschafter, die in Schulen gehen, was Behörden und Institutionen Vertrauen vermittelt. Während dieser Zeit haben die Verwaltungen ihre Erfahrungen mit uns gemacht: Aber erst kommt ein großer Berg Misstrauen und das Verharren im Ist-Zustand, was wir auch verstehen – aber wir bleiben dran. Der Paradigmenwechsel ist unumgänglich und passiert gerade jetzt.
Ein Blick in die Zukunft: Was wäre der nächste Schritt? Sollten Grün- und Erholungsflächen zu Anbauarealen werden?
Essen ist ein Grundbedürfnis, aber gerade in Basel ist jeder öffentliche Quadratmeter einer Nutzung zugeordnet, zugleich gibt es aber punktuell die Möglichkeit, Pflanzungskonzepte essbarer zu machen – in der Schweiz herrscht noch Unklarheit darüber. Die Angestellten der Stadtgärtnereien haben zudem meist nicht die Fachkenntnisse, sich um Gemüse-, Beeren- und Obstkulturen zu kümmern. Hinzu kommen besondere Anforderungen des Anbaus in der Stadt. Ein Blick in die Zukunft ist auch ein Blick in die Vernetzung der Region und eine Veränderung des Konsumverhaltens jedes Menschen. Neben der Allmende gibt es sehr viele private Flächen, Innenhöfe, Beton- und Kieswüsten, wo man ansetzen kann. Dort wäre auch die Verantwortung viel schneller und klarer geregelt.