Giandelli nimmt die Betrachter mit auf ihre Reise und konfrontiert sie mit Welten, Szenen und Wesen, mit Gedanken und Gefühlen von eindringlicher, manchmal poetischer, manchmal verstörender Tiefe. Flora und Fauna nehmen groteske Züge an, die menschliche Präsenz ist geisterhaft, die Szenerien sind in befremdliche Stimmungen getaucht, und immer schwebt der Eindruck einer melancholischen Einsamkeit über allem. Die Szenen muten an wie Spiegelbilder des Unbewussten, immer präzis und kontrolliert inszeniert, aber offen in der Bedeutung.
Immer weniger Menschen
Giandelli arbeitet regelmäßig als Illustratorin für Zeitungen und Magazine wie „La Repubblica“, „The New Yorker“ und „Vanity“. 2021 erscheint in der renommierten „Travel Book“-Reihe von Louis Vuitton die Bildreflexion einer Australienreise. Giandellis Blick auf den Südkontinent ist geradezu berauscht von dessen Schönheit und die Weite; Australien flirrt und flimmert zwischen Realität und Traum, ist Gegenwart und Sehnsuchtsort in einem und vor allem Lebensraum einer üppigen und exotischen Fauna, in der der Mensch nur eine untergeordnete Rolle spielt.
Ganz verschwindet der Mensch dann in ihrer aktuellsten Graphic Novel „Mirabile Bestiarium“ (2022), in der die Tiere die Herrschaft der Menschen beenden und in deren Städte und Wohnungen ziehen.
Die Erbauer sind verschwunden, alles ist seltsam leer und aufgeräumt. Vor Kurzem waren sie noch da, denn in den Fenstern brennt Licht, in den Vasen blühen noch Blumen, und auf einer schneebedeckten Straße sind Fahrspuren zu sehen. Und doch ist klar, dass die Tiere sich ungewohnt weit vorgewagt haben, es wirkt, als ob sie schon zu Hause sind in den Lofts und auf den Dächern der Stadt. Die Tiere, die so genügsam und friedfertig erscheinen, haben die Menschheit ausgelöscht und sich in den Behausungen ihrer ehemaligen Peiniger eingerichtet. Ein farbenfroher Traum entpuppt sich als Albtraum und Apokalypse. Di bis So, 11 bis 17 Uhr