Basel Untergrund wie ein Schweizer Käse

Die Oberbadische

Lesung: Journalist Jost Auf der Maur erinnert an die Zivilschutzbunker in der Schweiz

Von Gottfried Driesch

Auf Einladung des Kraftwerkes Augst informierte jüngst der Schriftsteller Jost Auf der Maur über die Zivilschutzbunker in der Schweiz. Nach Schweizer Gesetz muss für jeden Einwohner ein Platz in einem Schutzraum zur Verfügung stehen.

Augst. Der Kalte Krieg in den 1960er- und 1970er Jahren zeigt heute noch Nachwirkungen. Neben der Verpflichtung, in jedem Privatgebäude einen Schutzraum gegen atomare und chemische Kampfstoffe einzubauen, gibt es zahlreiche öffentliche Schutzräume.

Jost Auf der Maur las Auszüge aus drei Kapiteln seines Buches „Die Schweiz unter Tag – Eine Entdeckungsreise“, das im April dieses Jahres bereits in der zweiten Auflage erschienen ist. Es sei das erste Buch, das über das weite Land unter der Schweiz berichtet.

Viele der Einrichtungen waren lange als streng geheim eingestuft. Der Bau mancher dieser Bunker begann bereits während des Zweiten Weltkrieges. So erzählte Auf der Maur von einem Bunker in Amsteg im Kanton Uri. Hier seien auf 3000 Quadratmetern Wohn- und Büroflächen für den Schweizer Bundesrat eingerichtet worden. Er wurde während des Krieges für den Fall gebaut, „dass Deutschland doch noch in die Schweiz einmarschieren würde“.

Das zweite Kapitel der Lesung befasste sich mit der Zivilschutzanlage „Sonnenberg“ unter Luzern.

Diese Bunkerstadt mit sieben Stockwerken sei für 20 000 Menschen konzipiert und im Jahr 1976 eingeweiht worden. In dem Bau sind Hospitalräume, ein Operationssaal und ein Radiostudio.Aber die Anlage funktioniere nicht. Die Errichtung erinnert an blanken Aktionismus mit einem erstaunlichen Unwissen. „Der Untergrund von Luzern ähnelt einem Emmentaler Käse – er hat viele Löcher“, schreibt Auf der Maur in seinem Buch.

Die Bunkeranlage Sonnenberg sei für den eigentlichen Zweck gänzlich ungeeignet. Um für die 20 000 Bewohner die vierstöckigen Betten aufzubauen benötige man 14 Tage. Die Gänge sind teilweise so steil, dass die vorgesehenen Handwagen nur mit mehreren Leuten bewegt werden könnten. Bei der Flucht in die Anlage habe jeder Verpflegung für drei Tage sowie Wäsche mitzubringen. Wo dieses Handgepäck untergebracht werden sollte, wurde völlig außer Acht gelassen. „In Rom oder Neapel dienten solche Katakomben der letzten Ruhe“, war der sarkastische Kommentar des Autors. Diese Anlage sei im Ernstfall nicht benutzbar gewesen.

Im dritten Abschnitt befasste sich der Autor mit den Menschen, die diese unterirdischen Anlagen gebaut haben. Neben den bisher behandelten Zivilschutzanlagen gibt es in der Schweiz zahlreiche Eisenbahn- und Verkehrstunnel, unterirdische Kraftwerke oder Forschungsstätten. Nach Berechnungen von Jost Auf der Maur seien bei dem Bau dieser Anlagen 10 000 Menschen gestorben. Die offiziellen Angaben seien sehr viel niedriger. Auf der Maur zählte dabei nicht nur diejenigen Arbeiter, die direkt im Tunnel bei der Arbeit umgekommen sind. Auch Menschen, die aufgrund der misslichen Verhältnisse in den Tunneldörfern umkamen, die an Typhus erkrankten, die an Grippe, am Tunnelwurm oder an einer Staublunge ihr Leben verloren, zählt der Autor mit. Es seien Leute gewesen, die mit einem Handgeld nach Hause geschickt wurden, damit sie der Schweiz keine Kosten mit ihrem Sterben verursachten. Es sei endlich an der Zeit, diesen Menschen in Form einer Gedenkstätte zu danken, sagte Auf der Maur. Eine solche Gedenkstätte gibt es etwa im Elsass auf dem Hartmannsweilerkopf. Schließlich hätten die damals beteiligten Arbeiter die hervorragende Infrastruktur der Schweiz maßgeblich geschaffen, wie die Lesung den Zuhörern zeigte.

Umfrage

Bettina Stark-Watzinger

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat sich für Zivilschutzübungen an Schulen ausgesprochen. Damit sollen Schüler besser auf den Kriegsfall, Pandemien und Naturkatastrophen vorbereitet werden. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading