Basel Variationen über ein großes Gefühl

Toni Kostic
Auf der Bühne: Philipp Stevens (l.) und Hasan Sevi                                                                   Foto: Fotos: zVg/Junges Theater Basel/Uwe Heinrich

Bühne: Junges Theater Basel präsentiert ein Stück zum Thema Love Songs

Von Toni Kostic

Basel. Der Love Song, wie ihn jeder schon einmal im Radio gehört hat, und das durch ihn transportierte Bild der Liebe führt an der Realität vorbei. Das Junge Theater Basel brachte in der Premiere zu „Sing Me A Love Song!“ am Samstag die mit der Liebe verbundene innere Zerrissenheit, den Schmerz und die Unsicherheiten auf die Bühne. Im Raum stand die Frage: „Was ist diese Liebe eigentlich für mich?“

Nacheinander treten Anastasia, Hasan, Dilan, Philipp, Ellen und Lorenzo hinter dem halbdurchlässigen Fadenvorhang hervor und stellen abwechselnd ihre je eigenen Einstellungen zur und persönlichen Erfahrungen mit der Liebe vor. „Ich bin Philipp, 21, und ich sage ‚Nein‘ zur Liebe“. Die Bühne bleibt die gesamte Vorstellung über karg. Es sind lediglich schillernde Persönlichkeiten zu sehen, manchmal singend und tanzend in warme Farben getaucht.

Das Stück reflektiert die Liebesvorstellungen der dargestellten Personen, könnte man sagen. Aber noch Einiges mehr: Denn wie die Liebe wahrgenommen und gelebt wird, hängt schließlich auch von der eigenen Identität ab, von den Unvollkommenheiten und den gegenseitigen Bedürfnissen, der sexuellen Orientierung. Auch das gesellschaftlich vermittelte Ideal der monogam-ausschließlichen, heterosexuellen Liebe und die sich aus ihr ergebende Praxis – für die Einen bestätigende Leitplanke und für die anderen einengendes, diskriminierendes Korsett – werden aufgegriffen. Hier setzt der Love Song als eine der letzten Bastionen der heilen Welt an.

Ed Sheerans herzzerreißende Ballade „Perfect“ gilt den sechs auf der Bühne – die ihn erst beherzt mitsingen – als der perfekte Love Song, an ihm aber wird die Problematik besonders deutlich: Exemplarisch an der Ausrichtung auf das perfekte Gegenüber. Indem das Wort „Perfect“ in Schleife wiederholt wird, wirkt es plötzlich befremdlich und zweifelhaft. Was soll das sein, perfekt? Eine imaginäre Hülse?

Vom Befremdlichen in den Love Songs

Immer wieder fragen sich die jungen Erwachsenen gegenseitig: „Fühlst du dich einsam, Anastasia?“ „Lieben sich deine Eltern noch?“ „Liebst du mich?“ Fragen, wie man sie selbst auch schon gestellt bekommen hat. Fragen, die entweder anziehen oder häufig, wenn sie die Erwartungen nicht erfüllen, auseinanderbringen. Immer wieder finden die sechs in unterschiedlichen Konstellationen in der Umarmung zueinander und lösen sich wieder, um in einer anderen Umarmung aufzugehen.

Allmählich wird der Love Song befremdlicher. Der Text John Legends „‘cause I give you all of me, and you give me all of you” – frei übersetzt: Ich gebe dir alles, was ich bin und du mir alles, was du bist – wörtlich verstanden, ist totalitär. Besonders verdeutlicht das das Junge Theater, indem sie diesen Abschnitt des allseits bekannten Lieds nach und nach verkrampfter, neurotischer, mit aufgerisseneren Augen singen. Der Gesang weicht einer Forderung, die dem Schreien weicht. Ja, man will alles vom anderen und ist bereit alles zu geben.

Fragen hallen bei den Zuschauern nach

Die Gruppe hat genug und ruft protestierend: „No more Love Songs!“ Sie passen einfach nicht mehr zum eigenen Wunsch, haben nichts mehr für die eigene Realität zu vermitteln, weshalb das Ensemble eigene Lieder spricht, singt und rappt. Philipp etwa bleibt bei seiner anfänglichen Einstellung und beginnt seinen Song mit „Lass uns einfach zusammen scheiße sein!“ und Anastasia fühlt sich einsam. Ihr lyrisches Du, zu dem sie singt, ist nur ein kurzes Abenteuer. Es sind ehrliche Zeilen, die innerlich verstummen lassen, aus dem Leben sprechen und passen.

Insgesamt ist das Stück grandios. Es ist laut, hält sich nicht zurück und gibt perspektivisch ehrliche Antworten. Der Humor ist wohl dosiert, ohne dass die Ernsthaftigkeit darunter leidet. Schließlich werden die Fragen, die das Stück aufwirft, an den Zuschauer weitergereicht: Wie war es bis jetzt bei mir mit der Liebe? Erinnere ich mich noch an meinen Ex-Partner?

„Another Love“ steht am Ende als Projektion auf dem Faden-Vorhang, ein Lied-Schnipsel des gleichnamigen Songs von Tom Odell. Eine Forderung nach einer anderen, einer Imperfekten Liebe. Einer, die den Einzelnen bestimmen lässt, was er oder sie unter ihr versteht.

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