Basel „Viele Opfer schweigen aus Scham“

Die Oberbadische
Opfer Häuslicher Gewalt sollen sich rasch Hilfe holen, rät Isabel Miko Iso. Foto: Archiv

Interview: Isabel Miko Iso leitet den Runden Tisch Häusliche Gewalt, der sich zum 50. Mal getroffen hat

Opfern häuslicher Gewalt den Rücken zu stärken und stärker gegen Brutalität in den eigenen vier Wänden vorzugehen hat sich der Runde Tisch häusliche Gewalt in der Region Basel zum Ziel gesetzt. Jüngst kamen die Mitglieder dieser Einrichtung zum 50. Mal zusammen. Das Jubiläum wurde mit einer Fachtagung zum Thema „Trauma durch Häusliche Gewalt“ gewürdigt.

Basel. Isabel Miko Iso leitet die Fachstelle Häusliche Gewalt beim Justiz- und Sicherheitsdepartement (JSD) Basel und damit auch den Runden Tisch. Adrian Steineck hat sich mit ihr darüber unterhalten, warum dieses Gremium gegründet wurde und was sich seither verändert hat.

Frage: Frau Miko Iso, was war der Anlass zur Gründung des Runden Tisches?

Die vierte UN-Weltfrauenkonferenz im Jahr 1995 in Peking sorgte weltweit für viel Aufsehen. Häusliche Gewalt wurde dort als Menschenrechtsverletzung definiert. Dieser Initialzündung folgend, fand auch in der Schweiz ein Umdenken statt. Häusliche Gewalt wurde zunehmend als Gewaltform wahrgenommen, die staatlich bekämpft werden muss und nicht Privatsache ist. Die im Oktober 1996 publizierte Nationalfondsstudie war die erste. welche Häusliche Gewalt in der Schweiz repräsentativ untersuchte. Die Resultate belegten, dass in der Schweiz jede dritte Frau psychische Gewalt respektive jede fünfte Frau in ihrem Leben körperliche und sexuelle Gewalt durch ihren Partner erfährt. Um die Bekämpfung Häuslicher Gewalt zu fördern und Synergien zu nutzen, wurde der Runde Tisch Häusliche Gewalt Basel-Stadt im Oktober 1997 gegründet, was eine Pionierleistung war. Von Anfang an diente er als Brücke zwischen Verwaltung und Zivilgesellschaft. Mit diesem Kooperationsgremium wurde ein tragendes Netzwerk gegründet, um Häusliche Gewalt effizient zu bekämpfen.

Frage: Wer ist darin vertreten?

Die Leitung des Gremiums Runder Tisch Häusliche Gewalt Basel-Stadt habe ich als Leiterin der Fachstelle Häusliche Gewalt im JSD inne. Mitglieder sind Fachpersonen in leitenden Funktionen von Opferschutzeinrichtungen, etwa Anwaltsbüro, Opfervertretung, Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) und der Sozialdienst der Kantonspolizei. Auch das Strafgericht und der Bevölkerungsdienst Migration sind mit dabei sowie viele weitere.

Frage: Wie massiv ist denn das Problem Häusliche Gewalt in der Region Basel?

Die Kantonspolizei Basel-Stadt rückt durchschnittlich ein Mal pro Tag wegen Häuslicher Gewalt aus. Die Dunkelziffer ist groß, weil viele Opfer Häuslicher Gewalt aufgrund von Scham- und Schuldgefühlen die erlebte Gewalt nicht anzeigen.

Frage: Was hat sich seit der Gründung des Runden Tisches verändert?

Die Zusammenarbeit wurde erheblich verbessert, die Wege sind für alle Beteiligten und Betroffene deutlich kürzer geworden.

Frage: Gibt es denn tatsächlich mehr Fälle Häuslicher Gewalt als früher, oder wird nur stärker darüber berichtet? Fälle aus jüngster Vergangenheit wie etwa der Staufener Missbrauchsfall auf deutscher Seite werden natürlich stark wahrgenommen.

Wir merken schon, dass sich das Bewusstsein in der Bevölkerung verändert hat. Die Fälle werden schneller bekannt. Auch Nachbarn informieren rascher die Polizei.

Frage: Worum ging es in der Fachtagung, die jüngst in Basel stattgefunden hat?

Die Fachtagung widmete sich dem Thema der Traumatisierung, welche durch Häusliche Gewalt entstehen kann. Das Erleben von lebensbedrohlichen Ausnahmesituationen hinterlässt Spuren im Gehirn. Je jünger ein Mensch ist, wenn er massive Gewalt erfährt, desto schädlicher sind die Auswirkungen. Deshalb ist es besonders wichtig, kleinen Kindern, die von Gewalt in der Familie betroffen sind, zeitnah und niederschwellig Unterstützung zukommen zu lassen. Denn kleine Kinder, die im Kontext von Gewalt groß werden, sind immer existenziell davon betroffen. Sie haben keine Möglichkeit, der Gewalt zuhause auszuweichen, und sind auch noch zu klein, um selbst Hilfe zu holen.

Frage: Spielt es dabei auch eine Rolle, dass die Gewalt von Angehörigen ausgeht?

Ja. Die Auswirkungen traumatisierender Gewalterlebnisse sind deutlich gravierender, wenn die Gewalt von nahen Bezugspersonen ausgeht. Menschen, die durch Naturkatastrophen traumatisiert sind, entwickeln viel seltener posttraumatische Belastungsstörungen als Opfer Häuslicher Gewalt. Auch die Weitergabe von Gewaltmustern über mehrere Generationen hinweg wurde an der Tagung thematisiert. Ebenfalls wurden wirksame psychotherapeutische Heilmethoden vorgestellt und diskutiert.

Frage: Was raten Sie Opfern häuslicher Gewalt, und an wen können sich diese wenden?

In akuten Gewaltsituationen ist es wichtig, sofort die Polizei zu rufen. Opfer Häuslicher Gewalt sollen sich auf jeden Fall Hilfe von Fachpersonen holen und sich zudem von Opferhilfeorganisationen beraten lassen.

Weitere Informationen: Ansprechpartner finden Opfer Häuslicher Gewalt im Internet unter www.loerrach.de/lebenslagen sowie beim bundesweiten kostenlosen Hilfstelefon unter Tel. 0800 011 6016.

ist Genderwissenschaftlerin und engagiert sich als Leiterin der Fachstelle Häusliche Gewalt Basel-Stadt, Vertreterin der Konferenz der Interventions- und Fachstellen gegen häusliche Gewalt in der deutschsprachigen Schweiz (KIFS) und Vorstandsmitglied der Schweizerischen Konferenz gegen Häusliche Gewalt (SKHG) im Kampf gegen Brutalität in den eigenen vier Wänden. Sie leitet auch den Runden Tisch Häusliche Gewalt in Basel.

Umfrage

Heizung

Der Ausbau des Fernwärmenetzes im Landkreis Lörrach nimmt Fahrt auf. Würden Sie, falls möglich, Ihr Haus an das Netz anschließen lassen?

Ergebnis anzeigen
loading