Basel Vom Überleben in schwieriger Zeit

Die Oberbadische

Stiftung: Der Anne-Frank-Fonds in Basel widmet sich dem Andenken an die von den Nazis getötete Familie

„Ich werde, hoffe ich, dir alles anvertrauen können, wie ich es noch bei niemandem gekonnt habe, und ich hoffe, du wirst mir eine große Stütze sein.“ So beginnt das wohl bekannteste Tagebuch der Weltliteratur, das von Anne Frank. Dem Andenken an das Mädchen, das zu den prominentesten Opfern des Nationalsozialismus gehört, widmet sich der Anne-Frank-Fonds in Basel.

Von Adrian Steineck

Basel. Gegründet wurde dieser im Jahr 1963 durch Otto Frank, Annes Vater und der einzige Überlebende jener acht Menschen, die sich von Juli 1942 bis August 1944 in einem Hinterhaus in der Amsterdamer Prinsengracht 263 versteckten. Dass der Fonds gerade in Basel gegründet wurde, kommt nicht von ungefähr. „Vor dem Krieg emigrierten Otto Franks Mutter und Schwester nach Basel“, erzählt der Journalist Yves Kugelmann vom Stiftungsrat des Anne-Frank-Fonds (AFF), im Gespräch mit unserer Zeitung. Nach dem Krieg lebte Otto Frank bis zu seinem Tod im Jahr 1980 in Basel, von wo aus er auch das Tagebuch seiner Tochter Anne in die Welt brachte.

Den Anstoß zur Gründung des Fonds gab Otto Franks Glaube an zivilgesellschaftliches Engagement. „Er wollte seinen Beitrag zur Förderung von Frieden und Verständigung leisten“, sagt Kugelmann. Zugleich sah der Vater die Einnahmen aus der Veröffentlichung des Tagebuchs immer als Gelder, die Anne Frank und niemandem sonst zustehen sollten. Mit dem Fonds sah er laut Kugelmann die Möglichkeit, sämtliche Einnahmen karitativ, für Bildungszwecke oder wissenschaftlich zu verwenden. Daher arbeite auch der komplette Stiftungsrat ehrenamtlich.

Anne Frank führte das Tagebuch, das sie zu ihrem 13. Geburtstag am 12. Juni 1942 geschenkt bekam, von diesem Tag an bis zum 1. August 1944, drei Tage vor ihrer Verhaftung. Sie schildert darin neben ihren Gedanken zum Zeitgeschehen, etwa dem Judenstern, den Angehörige dieser Glaubensgemeinschaft auf Geheiß der Nazis auch in Amsterdam tragen mussten, auch ihre Erlebnisse mit den übrigen Menschen in jenem Hinterhaus. Auch die Auseinandersetzungen, die in der Enge und der bedrückenden Situation nicht ausbleiben: „Man lernt die Menschen erst gut kennen, wenn man einmal richtigen Streit mit ihnen gehabt hat. Erst dann kann man ihren Charakter beurteilen“, schreibt Anne.

Daneben kommen in ihrem Tagebuch auch die ganz alltäglichen Sorgen und Nöte einer Heranwachsenden zur Sprache. Anne beschreibt die körperlichen Veränderungen, die sie an sich wahrnimmt, das Erwachen ihrer Sexualität und das Aufkeimen von liebevollen Gefühlen für ihren Mitbewohner Peter van Pels. Erst vor wenigen Jahren wurden Seiten entziffert, die – vermutlich von Anne selbst – mit Packpapier überklebt worden waren und in denen sie einen Eintrag zu Beginn einer Seite durchgestrichen hatte. Da dadurch gleich zwei Seiten nach ihrem Empfinden unbrauchbar geworden waren, nutzte sie den freien Platz zum Niederschreiben anzüglicher Witze. Dann wieder nutzte Anne ihre Tagebucheintragungen, die sie an verschiedene fiktive Freundinnen adressierte, für tiefschürfende Analysen des Zeitgeschehens. „Einmal werden wir auch wieder Menschen und nicht allein Juden sein“, notierte Anne, die im Konzentrationslager Bergen-Belsen umkam, in ihr Tagebuch.

Gerade dieses Nebeneinander von Alltäglichem und den Schrecken ihrer Situation macht für Kugelmann noch heute das Zeitlose dieses Buches aus, das in mehr als 70 Sprachen übersetzt wurde. Es sei wichtig, Anne auch als normales Mädchen zu sehen, nicht allein als Symbol gegen die Schrecken des Holocaust.

„Das Tagebuch ist ein guter, starker, beeindruckender Text, geschrieben in Klarheit für die Situation im Versteck und die Welt darum herum“, sagt er. Vor allem sei das Buch ein authentisches Zeitdokument und geistiges Erbe der europäischen Kultur und Geschichte.

Der AFF verantwortet die Herausgabe des Tagebuchs und der Schriften von Anne Frank weltweit in Zusammenarbeit mit Verlagen und Produzenten. Daneben ist er verantwortlich für die Dramatisierung des Stoffes – Anne Franks Geschichte wurde seit dem Jahr 1959, also schon vor der Gründung des Fonds, bereits mehrfach verfilmt. Auch Projekte wie „The Warriors of Hope“, das sich für Straßenkinder in Rumänien und Indien einsetzt, werden durch den Fonds ideell und finanziell unterstützt. Im Jahr 1987 wurde auf Initiative des AFF auch ein Fonds gegründet, der die medizinische Versorgung von Menschen, die sich während des Zweiten Weltkriegs oft unter Einsatz ihres Lebens für jüdische Mitmenschen einsetzten, sicherstellen soll.

Aufklärung ist heute wichtiger denn je

Dass derzeit in vielen Ländern Europas der Rechtspopulismus Zulauf erhält und es nicht zuletzt in Deutschland und der Schweiz der Antisemitismus wieder salonfähig zu werden droht, sieht Kugelmann durchaus mit Sorge. „Der neue Populismus in Europa und anderen Teilen der Welt gerade auch im Fahrwasser von Donald Trumps permanenten Grenzüberschreitungen kann für Minderheiten gefährlich werden“, sagt er. Daher sei Aufklärung wichtiger denn je. Grundsätzlich neu aber ist die Situation für ihn nicht: „Antisemitismus gab es in Europa am ersten Tag nach dem Holocaust. Insofern sehe ich heute keine neue Situation, allenfalls andere Erscheinungsformen des Antisemitismus.“ Zugleich ist Kugelmann überzeugt: „Die Demokratie hält vieles aus, der Rechtsstaat setzt Grenzen, und Hand in Hand mit der Politik werden rassistische oder antisemitische Akte nicht durchgehen gelassen.“

Weitere Informationen: Näheres erfahren Interessierte im Internet unter www.annefrank.ch und unter Tel. 004161 / 274 11 74. 

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