Basel Von der Kraft der Bilder und Worte

Gabriele Hauger

Interview: Regisseurin Daniela Kranz über „Das Theater der Bilder“ im Kunstmuseum.

Basel - Die bildenden Künste mit Sprache und theatraler Darstellung zu vereinen – das ist der Grundgedanke eines gemeinsamen Projekts von Kunstmuseum und Theater Basel unter dem Titel „Das Theater der Bilder“. Die als Theaterparcours angelegte Inszenierung hat heute, 16. April, im Hauptbau des Museums Premiere. Autoren von Lukas Bärfuss über Alain Claude Sulzer bis Patrick Tschann haben zu verschiedenen Kunstwerken der Sammlung Texte geschrieben, die im Museum von Theaterschauspielern aufgeführt werden.

Mit der Regisseurin Daniela Kranz unterhielt sich Gabriele Hauger vor der Premiere.

Frau Kranz, ich erwische Sie sicher gerade in einer stressigen Zeit?

Nennen wir es lieber sehr intensive Probenphase (lacht).

Das Theater der Bilder scheint ein spannendes Projekt zu werden. Ist der Aufführungsort Museum Neuland für Sie?

Absolut. Es gibt immer wieder Versuche in Museen dieser Welt, ähnliche genreübergreifende Projekte zu machen. Aber für uns ist es das erste Mal. Und zwar für beide Institutionen: für das Kunstmuseum und für das Theater. Das bedeutet eine enorme Logistik.

Wer hat die Bilder ausgesucht?

Die Bilder sind alle Bestandteil der Sammlung des Kunstmuseums, die sich ja über drei Stockwerke erstreckt. Das Theater Basel hat hauptsächlich schweizerische Autoren angesprochen und diese gebeten, sich in der Ausstellung umzusehen und sich ein Bild, eine Skulptur oder einen Ort auszusuchen, der sie inspiriert. Wir haben überhaupt nicht kuratierend eingegriffen. Manchmal war es für uns sehr überraschend, welche Werke sich die Autoren ausgesucht haben. Doch genau das wollten wir.

Angeregt von dem jeweils gewählten Kunstwerk, sollten die Schriftsteller dann etwa zehnminütige Texte für ein bis drei Schauspieler schreiben. Die Form war dabei ganz frei: Monolog, Dialog, Gedicht, Essay, Skizze...

Es sind also alles völlig neue Texte?

Ja, bis auf einen von Stefan Zweig zu Holbeins Erasmus. In Basel und angesichts der Holbein-Werke im Museum musste das sein.

Haben Sie die Werk-Wahl der Autoren immer nachvollziehen können?

Es war zuweilen schon sehr erstaunlich. Wenn ich durch das Museum gehe, sprechen mich ja bestimmte Bilder besonders an, großformatige „Eyecatcher“ oder bestimmte Raumkonstellationen. Manche Autoren haben sich aber überraschend kleinformatige, fast unauffällige Arbeiten ausgesucht, an die man so nah herangehen muss, dass die Warnanlage piepst. Darüber entstand dann ein sehr interessanter Text. Die Perspektiven, die die Autoren einnehmen, das ist spannend.

Gibt es im Parcours einen roten Faden?

Nein. Das sind alles einzelne Szenen, die man weder inhaltlich noch formal verknüpfen kann. Es finden zudem parallel mehrere Schauspielszenen statt. Mal passen nur 15 Zuschauer in den Raum, mal viel mehr. Dadurch gibt es sehr intime Momente, aber auch öffentliche Situationen. Die Zuschauer stellen sich quasi ihre eigene Ausstellung zusammen. Wer will, kann über drei Stunden hinweg durchs Haus schlendern, Bilder anschauen, Theater genießen oder sich einen ruhigen Moment der Besinnung gönnen.

Wie viele Schauspieler wirken mit?

Beteiligt ist ein 18-köpfiges Ensemble, das zum Teil auch mehrere Rollen übernimmt. Das Tolle daran ist übrigens auch, dass man genauso nah wie man an die Bilder herankommt, auch die Schauspieler sehen kann. Ganz ohne Schutzbarrieren. Bilder und Schauspieler sind auf Augenhöhe. Wann hat man das schon mal?

Geben Sie uns ein Beispiel.

Es gibt einen Raum, da hat Sacha Batthyany den Dialog eines Ehepaares verfasst, das über die Betrachtung eines Bildes in Streit gerät. Ein sehr intimes Gespräch. Nicht immer gibt es in den Szenen einen so direkten Bezug zum Werk. Ich hoffe, dass dieses direkte Erleben von Spiel und Kunst insgesamt eine ganz neue Sehweise eröffnet.

Wie sieht der Parcours logistisch aus?

Der Zuschauer wandert, die Schauspieler zum Teil auch. Alle Viertel Stunde wechseln die Situationen. Mal gibt es in einem Raum drei Szenen hintereinander, mal nur eine. Als Zuschauer wandelt man durchs Museum, Aufsichten helfen bei der Orientierung, ebenso ein Plan. Man hat die Wahl, kann sich treiben lassen. Es gibt keine vorbestimmte Parcourswahl.

Man muss also nicht ALLES sehen?

Nein! Wenn ich die Sammlung besuche, bin ich mit einem Stockwerk eigentlich schon überfordert. Dort hängen ja so viele schöne und berühmte Werke. Ein paar davon werden textlich bearbeitet, aber viele, auch sehr bekannte, erstaunlicherweise auch nicht. Drangvoll eng wird es nicht. Das verteilt sich ja alles schön. Und je nach Interesse, kann man sich auch ganz in Ruhe die „nicht-sprechenden“ Bilder anschauen und vielleicht Bezüge zum zuvor Gesehenen herstellen. Es gibt außerdem drei Hörstationen, im Innenhof Bistro und Bar zum Pausieren, oder die Möglichkeit, sich in eine stille Ecke zurückziehen und alles auf sich wirken lassen.

Solche Überschneidungen von Kunstsparten – schätzen Sie das?

Es ist ein unglaubliches Geschenk! Wenn man sich überlegt, an was für einem Arbeitsplatz man sich befindet! Allerdings können wir nicht sehr häufig vor Ort proben. Außer montags, wenn das Museum für die Öffentlichkeit geschlossen ist. Obwohl auch montags dort ganz schön was los ist: Umhängungen, Restaurierungsarbeiten und so weiter. Das bietet auch mir interessante Blicke hinter die Kulissen. Dass ich aber mit den Schauspielern direkt vor diesen Wahnsinnswerken sitzen kann, und wir darüber nachdenken, wie wir dem szenisch gerecht werden – ist schon etwas ganz besonderes. Wir genießen das alles sehr. Und fragen uns: Was bedeutet das, vor so einem Bild zu stehen, den Text dazu laut werden zu lassen, ihn im Raum wirken zu lassen. Es ist eine ungeschützte Situation für die Schauspieler und gleichzeitig ein Sich-in-Beziehung-setzen mit der Kunst – das empfinde ich als sehr bereichernd.

Ihrer Arbeitsweise als Regisseurin kommt das sehr entgegen?

Ich lebe in Berlin, arbeite aber seit vier Jahren fürs Theater Basel. In dieser Zeit haben wir uns ganz intensiv mit den großen Themen in Basel beschäftigt. Was macht die Stadt aus? Was sind die großen historischen Themen: Erasmus, Reformation, Humanismus. Wir sind schon mehrfach in die Stadt gegangen und haben an historischen Orten gespielt. Ich denke da auch an die Krimi-Inszenierungen zum Kommissar Hunkeler. Nicht-Theaterräume sind immer eine Herausforderung, aber sie schaffen auch Nähe und Überprüfung des Spiels. Das wird noch viel konkreter als in einem Theater.

Erreicht man so mehr Menschen?

Es ist sicherlich eine geringere Hemmschwelle für die Zuschauer. Aber auch für uns Theaterleute ist das ein wichtiger Widerhall: So lernen wir die Stadt und unsere Zuschauer besser kennen. Das ist ein Gewinn!

Welches Publikum erwarten Sie?

Hautnah Schauspieler zu erleben, das könnte schon viele ansprechen. Wir wollen nicht nur kunstaffines Publikum begrüßen. Im Idealfall sind viele verschiedenen Gruppen vertreten – eben die Stadtgesellschaft.

Als Nicht-Baslerin haben Sie sicherlich einen anderen Blick auf diese Stadt und ihre Menschen?

Ich habe Respekt, auch vor den Themen. Der Blick von außen erlaubt aber auch andere Fragen und einen etwas anderen Umgang damit. Vieles ist für die Menschen hier so selbstverständlich – und für mich nicht. Dabei habe ich Basel total ins Herz geschlossen. Ich spaziere gerne durch die Stadt und überlege mir dabei: Wo könnten wir als nächstes spielen?

  Premiere: heute, ab 20 Uhr, Kunstmuseum Basel, Hauptbau; weitere Vorstellungen: 17., 27., 28. April, 20 Uhr; Tel. 004161/2951133

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