Basel Von der Künstler-Nothilfe zur Kunstförderung

Die Oberbadische
Eines der gezeigten Werke: Nadja Solari, „razzle dazzle“ (total refreshment), 2017 Foto: zVg Foto: Die Oberbadische

Kunst: 100 Jahre Basler Kunstkredit / Ausstellung in der Kunsthalle ab Sonntag

Von Dominique Spirgi

Basel. 1919 wurde der Basler Kunstkredit ins Leben gerufen. Ursprünglich als Nothilfe für mittellose Kunstschaffende gedacht, hat dieses Fördergefäß deutliche Spuren im Stadtbild hinterlassen und immer wieder auch für heftige Kontroversen gesorgt.

Ein Schnauz erregte 1950 die Gemüter in Basel. Es handelte sich um die Gesichtsbehaarung in der Darstellung eines Schmieds im Sgraffito „Das Meer“ des Basler Künstler Max Kämpf (1912-1982). Die Symbolfigur für das Handwerk war Teil eines Wandgemäldes für die ehemalige Basler Handelsschule.

Grund der Erregung war, dass der Kopf mit dem markanten Schnauz einige Betrachter des Werks an das Konterfei des sowjetischen Diktators Josef Stalin erinnerte. Angestachelt von empörten Artikeln in der Tagespresse verfügte die Basler Regierung sodann, diesen Teil des Sgraffitos zu eliminieren. Kämpf wurde erst nach der Beseitigungsaktion informiert.

Kämpf ist nicht die einzige Künstlerpersönlichkeit, die im Laufe der Geschichte des Kunstkredits in Skandale reingezogen wurde. Auch Niklaus Stoecklin (1896-1982) sorgte 1920 als einer der ersten unterstützten Künstler überhaupt für heftige Debatten. Die Darstellung von sich küssenden Paaren für die Eheverkündigungs-Tafel auf dem Münsterplatz wurde als anstößig empfunden. Im August 1921 wurde ein Farbanschlag auf das Fresko verübt. Kontroversen dieser Art ziehen sich bis in die Gegenwart hinein.

Kunstkredit als Politikum

1976 erreichten sie einen Tiefpunkt, als die grellbunt bemalte abstrakte Polyesterplastik „Lieu dit“ von Michael Grossert (1026-2014) auf der Heuwaage mit Schmähworten gegen den Kunstkredit verschmiert wurde. Das Ganze artete zum Politikum aus: Der Grosse Rat stimmte mit deutlichem Mehr einem Antrag zu, den Kunstkredit aus Protest um einen symbolischen Franken zu kürzen.

Viele der öffentlichen Kunstwerke wurden auf der anderen Seite von einer breiten Öffentlichkeit sehr wohlwollend aufgenommen. Eines der bekanntesten Beispiele ist die 1980 fertiggestellte Bronzeskulptur „Helvetia auf Reisen“von Bettina Eichin am Kleinbasler Kopf der Mittleren Brücke. Die konventionelle Machart und die leichte Verständlichkeit sorgten dafür, dass dieses Werk von Beginn weg mehrheitsfähig war.

Das gilt in einem aktuellen Beispiel auch für den Bronze-Seelöwen von Urs Cavelti. Seit 2017 balanciert das naturalistisch dargestellte Tier auf seiner Schnauze am Rand der Außenterrasse des Primarschulhauses Erlenmatt. Der Künstler spielte bewusst mit dem Umstand, dass Seelöwen-Skulpturen in Parks, auf Spielplätzen oder Schulhausarealen allgegenwärtig sind.

Das „Who is Who“ der Basler Kunstszene

Aufträge für Kunst am Bau oder Kunst im öffentlichen Raum machen nur einen, wenn auch den von der Öffentlichkeit am meisten beachteten, Teil der Kunstförderung durch den Kunstkredit aus.

Daneben vergibt die Kunstkreditkommission Werk- und Projektbeiträge sowie sporadisch den Basler Kunstpreis. Und er organisiert zusammen mit weiteren Kantonen den nationalen Wettbewerb um den Performancepreis.

Dazu kommen jährlich Ankäufe von Werken von Basler Künstlern für die eigene Sammlung. Sie ist in den hundert Jahren auf rund 4700 Werke angewachsen. Zum Teil hängen die Werke in Büros der kantonalen Verwaltung oder sind in öffentlichen Amtsstuben ausgestellt.

Die Liste der Künstlerinnen und Künstler in der Sammlung des Kunstkredits entspricht dem „Who is Who“ der regionalen Kunstszene. Darunter sind auch die Namen der international bekannten Aushängeschilder wie Jean Tinguely, Meret Oppenheim, Rémy Zaugg und Miriam Cahn zu finden – alles Künstler, deren Werke längst in bedeutenden Museumssammlungen vertreten sind.

Zum 100. Geburtstag hat der Kunstkredit nun rund 500 dieser Werke im Internet auf www.kultur.bs.ch/sammlung -online öffentlich zugänglich gemacht. Der Regierungsrat hat hierfür aus dem Swisslos-Fonds einen Beitrag von 100 000 Franken bewilligt.

Ins Leben gerufen wurde der Basler Kunstkredit 1919, kurz nach dem Ersten Weltkrieg und dem Basler Generalstreik. Bereits 1918 hatte der damals zurückgetretene sozialdemokratische Regierungsrat Hermann Blocher (ein Großonkel von Christoph Blocher) auf die Nöte der Künstlerschaft hingewiesen und eine staatliche Kunstförderung angeregt.

Eingeführt wurde der Kunstkredit schließlich vom SP-Regierungsrat Fritz Hauser. Er reagierte damit auf eine Eingabe der „Gesellschaft Schweizerischer Maler, Bildhauer und Architekten“ (GSMBA), die mit den Aussagen „Gebt uns Aufträge!“ und „Stellt uns Themen!“ Kunstförderung in erster Linie zur „Ausschmückung öffentlicher Gebäude“ gefordert hatten. Mit der Institutionalisierung der Kunstförderung leistete Basel-Stadt Pionierarbeit in der Schweiz.

Auch wenn heute niemand mehr von Nothilfe spricht, ist der Kunstkredit nach wie vor „äußerst relevant“ für die Künstlerschaft, wie Simon Koenig, Leiter Kunstkredit in der Abteilung Kultur von Basel-Stadt sagt. „Dabei spielen nicht nur das Geld, sondern auch die Sichtbarkeit der Kunst und die Anerkennung als Künstler eine wichtige Rolle.“

Für den Kunstkredit stehen heute 370 000 Franken pro Jahr zur Verfügung. Dazu kommen Beiträge aus dem Budget des Bau- und Verkehrsdepartements für die Umsetzung von Projekten an Bauten oder im öffentlichen Raum. Im Gründungsjahr vor 100 Jahren waren es 30 000 Franken.

Vom morgigen Sonntag, 18. August, bis 1. September findet in der Kunsthalle Basel die Jahresausstellung des Kunstkredits statt. Am 22. August wird der 100. Geburtstag des Kunstkredits mit einem Festakt im Kunstmuseum begangen.

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