Basel Von der Politik entfremdet

Die Oberbadische
Die Gruppe der Kritiker von Corona-Maßnahmen ist laut einer Basler Studie heterogen und latent antisemitisch, aber auch antiautoritär und teilweise sehr der Anthroposophie verschrieben. Foto: Archiv

Gesellschaft: Basler Forscher haben die Gegner von Corona-Maßnahmen unter die Lupe genommen.

Basel - Aus der Mittelschicht, eher älter und akademisch gebildet – das sind die typischen Merkmale der Angehörigen der Protestbewegung gegen die Corona-Maßnahmen in Deutschland und der Schweiz. Die Gegner sind in sich verschieden, aber nach rechts offen und vom politischen System stark entfremdet.

Dies sind die vorläufigen Ergebnisse eines Forschungsprojekts an der Universität Basel, das sich auf die Auswertung von mehr als 1150 Fragebögen stützt. In der Studie „Politische Soziologie der Corona-Proteste“ werden am Fachbereich Soziologie die aktuellen Proteste in der Schweiz und in Deutschland empirisch untersucht, wie die Hochschule mitteilt. Ziel ist es, die Motivation, Werte und Überzeugungen der Kritiker im Internet und der Teilnehmer von Kundgebungen, Aktionen und Demonstrationen zu analysieren. Die Basler Forscher haben nun die Grundauswertung der Online-Befragung sowie erste Ergebnisse der qualitativen Untersuchung vorliegen.

Heterogene Gruppe

Die Bewegung der Coronakritiker ist intern heterogen. Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass es sich mehrheitlich um gebildete Angehörige der Mittelschicht handelt. Es ist zudem eine relativ alte und relativ akademische Bewegung, wie es weiter heißt.

Das Durchschnittsalter der Umfrageteilnehmer beträgt 47 Jahre, 31 Prozent haben Abitur und 34 Prozent einen Studienabschluss. Letzteres ist höher als der schweizerische Durchschnitt von 29,6 Prozent und fast doppelt so hoch wie in Deutschland, wo 18,5 Prozent über einen Hochschulabschluss verfügen. Überraschend ist der hohe Anteil Selbstständiger: Mit 25 Prozent ist er deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung.

Politische Entfremdung

Bei der vergangenen Bundestagswahl in Deutschland haben 18 Prozent die Linke und 23 Prozent die Grünen gewählt. Der Alternative für Deutschland (AfD) haben 15 Prozent ihre Stimme gegeben, bei der nächsten Bundestagswahl wären es allerdings voraussichtlich rund 27 Prozent.

In der Schweiz ist die SVP seit Beginn die stärkste Partei unter den Kritikern der Corona-Maßnahmen, sie liegt bei den Studienteilnehmern etwas über dem Niveau ihrer nationalen Stärke mit 33 Prozent. Bei der künftigen Wahlabsicht hat die SVP das rot-grüne Lager, das bei der vergangenen Wahl zusammengenommen noch auf demselben Niveau lag, jedoch weit hinter sich gelassen: 43 Prozent würden bei der nächsten Wahl der SVP ihre Stimme geben.

Charakteristisch für diese neue Bewegung ist eine starke Entfremdung vom politischen System und den etablierten Medien. Innerhalb der Institutionen der liberalen Demokratie werden der Justiz, der Polizei, den Umweltgruppen und den Bürgerinitiativen laut Mitteilung verhältnismäßig viel Vertrauen geschenkt; auch Unternehmen wird weniger misstraut als den Medien.

Antisemitische Züge

Es gibt zudem unter den Studienteilnehmern eine Neigung zum Antisemitismus. Dies ist laut der Universität Basel insofern nicht überraschend, da in der Protestbewegung eine Anlage zum verschwörungstheoretischen Denken existiert – und dieses häufig antisemitische Züge aufweist.

Insgesamt sind die Teilnehmer jedoch weder ausgesprochen fremden- noch islamfeindlich, teilweise sogar eher antiautoritär und der Anthroposophie zugeneigt. Ein Großteil will laut der Studie die Alternativmedizin der Schulmedizin gleichstellen, zurück zur Natur und stärker auf ganzheitliches und spirituelles Denken setzen. 64 Prozent sagen, man solle Kindern nicht beibringen, Autoritäten zu gehorchen.

Es handele sich im Ganzen um keine wirklich rechte Bewegung, aber um eine, die nach rechts offen sei und diesbezüglich große Radikalisierungspotenziale aufweise – gerade wie im vorliegenden Fall einer stark emotionalen und sich selbst verherrlichenden Bewegung“, kommentiert der Soziologe Oliver Nachtwey von der Universität Basel die ersten Ergebnisse der Studie.

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