Basel Wie am ESC aus freiwilligen Helfern „Trash Heroes“ werden

Michael Werndorff
Die Swiss Volunteers (v.l.): Heinz Feigl und Thomas Dürst gehören zu den freiwilligen Helfern am Eurovision Song Contest in Basel. Rund 2900 Volunteers hatten sich im Vorfeld beworben. Foto: Michael Werndorff

Der Eurovision Song Contest stellt Basel auf den Kopf. Damit alles reibungslos über die Bühne geht, sind zahlreiche Volunteers im Einsatz.

„Eingang – Artist Backstage / Volunteer Lounge“ steht auf einem Schild an einer Tür geschrieben. Damit niemand ohne Zutrittsberechtigung in den Künstlerbereich gelangt, schaut Thomas Dürst ganz genau hin. Er ist einer der vielen Freiwilligen am Eurovision Song Contest und sitzt während der ESC-Woche täglich sechs Stunden auf einem Hocker in der Konzertgasse zwischen Steinenberg und Barfüßerplatz, wo das musikalische Rahmenprogramm stattfindet. Nur bekannte Gesichter und Personen mit einem „Badge“ dürfen hinter die Kulissen des weltweit größten Gesangswettbewerbs.

Rund um den Megaanlass gibt es sehr viel zu tun. Dutzende Musikformationen, Pressevertreter, Delegationen und Tausende Fans sind derzeit in der Stadt am Rheinknie. Sie alle müssen betreut werden – sei es im Eurovision Village in der Messehalle, in der St. Jakobshalle, wo die Bühnenshows stattfinden, in der ESC-Street, auf dem Barfi, im Pressezentrum oder beim Public Viewing. Überall braucht es Helfer, die Fragen beantworten, den Weg weisen und bei Problemen mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Tolle Atmosphäre am Eurovision Song Contest

Während andere Freiwillige ganz nahe am Geschehen sind und sogar unmittelbar Kontakt zu den ESC-Künstlern haben, scheint Dürsts Job weniger attraktiv zu sein. „Dem ist aber nicht so“, sagt der 59-Jährige entspannt. „Ich sitze hier, beobachte das Geschehen und lausche der Musik. Am Sonntag war eine gute Formation aus Lörrach auf der Bühne, die Sugar Foot Stompers“, berichtet der gebürtige Basler, der mal in der Stadt am Rheinknie, mal in Berlin lebt.

Der Dozent für Philosophie schwärmt von der tollen Atmosphäre am ESC. „Ich schaue mir die heutige Popkultur an, da gibt es durchaus gute Künstler“, so der Jazzfan, der selbst als Musiker an der Hammond-Orgel aktiv ist. „Ich bin zwar in einer anderen Zeit aufgewachsen, aber jeder kann am ESC auf seine Kosten kommen“, lobt er das vielfältige Rahmenprogramm, das obendrein kostenlos ist. „Damit können auch weniger gut betuchte Musikfans Konzerte genießen.“

Dürst kam über die App von Swiss Volunteers an den Job. Für seine Tätigkeit erhält er keinen Obolus. Lediglich Verpflegung und die Kleidung werden gestellt. Auch ESC-Tickets gab es keine, diese wurden nur über die offiziellen Verkaufskanäle angeboten.

Freundliche Gespräche am Rande

Bei der Bewerbung habe es Probleme gegeben. Die Software wollte seinen Ausweis nicht annehmen. Letztlich mussten die Daten händisch verarbeitet werden. „Dann funktionierte es, und ich war auf einmal im großen Helferteam“, erzählt er während er mit einem freundlichen Nicken Zugang gewährt. „Prima, die haben einen Badge. Dann ist die Sache klar.“

Doch bei der Zugangskontrolle bleibt es nicht. In seinem blauen Eurovision-Sweater ist er schnell als Helfer erkennbar. So komme es immer wieder zu freundlichen Gesprächen mit Ratsuchenden, bei denen auch über private Probleme gesprochen werde. „Heute Morgen wollte eine Dame von mir wissen, ob sie mit ihrer Tochter in die Basler Messe könne oder nicht. Ihre Tochter habe eine Behinderung und sitze im Rollstuhl. Alles sei etwas beschwerlich, aber sie liebe die Bühnenlichter und das ganze Drumherum. Ich habe ihr gesagt, dass der Zugang barrierefrei ist“, berichtet Dürst.

Starke Polizeipräsenz in ganz Basel

Vom ESC sehe er nur einen kleinen Ausschnitt, aber das reiche ihm. Was ihm negativ auffällt: Die Anti-Terror-Sperren und die stark bewaffneten Polizisten, die auch in der Konzertgasse Position bezogen haben. „Der Einsatz ist martialisch“, betont der Philosoph. Es sei schrecklich, dass so etwas notwendig ist, erinnert er an den Anschlag in Magdeburg vom Dezember. Fünf Menschen verloren ihr Leben, rund 200 wurden verletzt, als Taleb A. mit einem Auto durch die Menge raste.

Während Dürst seinen Tür-Dienst schiebt, sind andere Helfer hinter der Bühne am Barfi zugange. Die sogenannten Stagehands bereiten alles für die nächste Show vor, Musikinstrumente und Boxen werden schnell abgebaut, damit die nächste Band Platz hat. Unterdessen sammeln „Trash Heroes“ Müll ein und sorgen für Sauberkeit rund um die Konzertbühne. „Klingt doch viel besser als Müllsammler“, findet Heinz Feigl.

Der Ruheständler ist ebenfalls ein Volunteer und mit der Aufsicht und Einteilung der rund 30 Helfer am Barfi betraut. Und dann wären da noch die „Crowd Manager“, die all jenen helfen, die nicht ortskundig sind. Das Helferteam ist international aufgestellt: „Die Leute nehmen sich extra Urlaub und reisen sogar aus dem nahen und fernen Ausland an, um als Volunteer mitanzupacken. Die sind mit Herzblut dabei. Sie sind motiviert und wollen einfach Teil des Anlasses sein. Das finde ich wirklich toll.“

Für Dürst ist der Volunteer-Job eine willkommene Abwechslung zu seiner beruflichen Tätigkeit. Diese spiele sich ebenfalls sitzend ab. Allerdings an seinem Schreibtisch, und das ziemlich einsam, so der Wissenschaftler.

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